Falsches Blut
hielten, würden wir die Mädchen garantiert nicht mehr lebend auffinden, so viel war klar. Natürlich kam es für mich und meine Partnerin nicht in Frage, tatenlos zu warten; also brachen wir in das Haus des Kerls ein, während er gerade im Dienst war.
Leider lagen wir mit unserem Verdacht wegen des Kerls richtig, nur im Hinblick auf das Timing hatten wir uns geirrt. Wir fanden die beiden Mädchen tot in seinem Keller vor. Und schlimmer noch– da wir in sein Haus eingebrochen waren, erwiesen sich die Beweise als Früchte vom verbotenen Baum: Material, das im Zuge einer nicht offiziell genehmigten Durchsuchung sichergestellt wird, kann nämlich vor Gericht nicht verwendet werden.
Es war ein übler Fall, und niemand war mit seinem Ausgang einverstanden; am allerwenigsten ich. Am Ende borgte ich mir einen Stapel Fotos aus einem uralten Fall eines Sexualstraftäters und versteckte sie zusammen mit einer hübschen Portion Marihuana im Wagen des Schweins. Ein Drogenhund kam ihm auf dem Postamt auf die Fährte und erschnüffelte das Zeug, worauf der Typ wegen Besitzes von kinderpornografischem Material festgenommen und verurteilt wurde. Gleich am zweiten Tag im Gefängnis schnitt ihm jemand in der Dusche die Kehle durch.
Ich habe mich nie mit der Frage herumgequält, ob mein Trick mit den Fotos und dem Marihuana ethisch verwerflich gewesen war. Falls es hart auf hart käme, würde ich es jederzeit wieder tun und hätte deswegen trotzdem keine schlaflosen Nächte. Das System braucht Menschen wie mich, die den Mut aufbringen, solch drastische Maßnahmen zu ergreifen, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Richtig oder falsch, gerecht oder ungerecht– im wahren Leben sind die Dinge weitaus komplizierter, als sie in irgendwelchen Predigten klingen. Im wahren Leben muss man sich manchmal eben die Hände schmutzig machen; man muss so tief in der Scheiße graben, dass man den Gestank möglicherweise nie wieder loswird. Ich wusste das, und ich akzeptierte es. Gleichzeitig war es ein himmelweiter Unterschied, ob man einem Verdächtigen, von dem man wusste, dass er es getan hatte, belastende Beweise unterjubelte, oder ob man ihm höchstpersönlich die Lichter ausblies. Ich war nicht sicher, ob mir dieses Recht tatsächlich zustand.
Olivia musste mein Zögern gespürt haben, denn sie fragte, ob ich noch dran sei.
» Ich bin hier « , sagte ich. » Und ich weiß nicht, was ich machen soll. «
» Das wirst du schon selbst herausfinden müssen, Ash, und zwar möglichst schnell. Vor allem aber ohne meine Hilfe. Darf ich dir trotzdem einen Rat geben? Schaff dir alles vom Hals, was du bei den Cuttings gefunden hast, hör mit den Ermittlungen auf und verbring lieber die Zeit mit deiner Familie. Hör auf, in der Scheiße zu rühren, bevor noch jemand ernsthaft zu Schaden kommt. «
» Das würdest du tun, ja? « , fragte ich.
» Ja. «
Offenbar war Olivia doch nicht die Frau, für die ich sie gehalten hatte.
» Ich werde über deinen Ratschlag nachdenken « , versprach ich. » Pass gut auf dich auf. «
Ich legte auf und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Ohne Olivias Unterstützung zurechtkommen zu müssen, war ein herber Schlag, aber alles in allem verkraftbar. Ich hatte gehofft, dass sie mich begleiten und damit Flagge zeigen würde, doch ich würde auch ohne sie zurechtkommen. Sie war eine gute Polizistin, aber wir lebten in unterschiedlichen Welten. In ihrer Welt funktionierte alles nach festen, unerschütterlichen Regeln. Ich hingegen hatte für Regeln nicht viel übrig, was unsere kurze Zeit als Partner zu einer heiklen Angelegenheit gemacht hatte.
Da Olivia mir nicht helfen würde, musste ich mir also anderweitig Verstärkung beschaffen. Ich griff wieder nach meinem Handy und scrollte das Verzeichnis durch.
Indianapolis hat eine runde Million Einwohner, darunter auch eine Handvoll Rechtsmediziner mit eigener Praxis, von denen einige der Polizei halfen, wenn wir extern Beweismaterial untersuchen lassen mussten. Einer von ihnen, Dr. Mack Monroe, war rein zufällig der Boss der Pathologie im Krankenhaus, in dem meine Frau arbeitete. Hoffentlich hatte er noch nicht Feierabend gemacht.
Er meldete sich beim dritten Läuten.
» Mack, hier spricht Ash Rashid vom IMPD . Wie geht es Ihnen? «
» Na ja, sagen wir mal so: Wenn Ihre Leute endlich meine letzte Rechnung bezahlen würden, ginge es mir noch viel besser. «
Wahrscheinlich hätte ich mit dieser Antwort rechnen müssen. Wir hatten Mack vor einigen Monaten
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