Falsetto
stets so wütend funkelte und allen Schmerz und jede Schwäche nur mit Verachtung bedachte. Er schloß die Augen. Er erinnerte sich daran, daß dieser Mann ihn in Rom vor endlos langer Zeit einmal umarmt hatte, und er hätte angesichts all der törichten Dinge, die er eben gesagt hatte, laut auflachen mögen. Als die Kerze plötzlich erlosch und er die Augen wieder öffnete und nur Dunkelheit sah, dachte er: Oh, das sind einfach nur Worte, keine Taten. Auch das wird irgendwie vorbeigehen, wie alles andere ebenfalls vorbeigegangen ist. Morgen wird es nicht anders sein als sonst, jeder von uns beiden wird mit seinen eigenen Dämonen kämpfen. Aber ich werde noch stärker werden und mich noch mehr daran gewöhnen.
Weil das Leben ist, nicht wahr? Das ist das Leben, und Jahre werden so vergehen, denn so ist es bestimmt. Das Messer, das mich hierhergebracht hat, war lediglich ein Vorbote dessen, was uns alle erwartet.
Der Geruch von brennendem Wachs hing in der Luft.
Dann hörte er, wie Guido aufstand, hörte seine Schritte auf dem Steinboden, und dachte: Ach, das ist dann also die endgültige Demütigung, er läßt mich hier allein zurück.
Seine Grausamkeit war ihm niemals so erlesen, so überwältigend erschienen. Ach, die vielen Stunden, die wir beide gemeinsam verbracht haben.
Und was habe ich gelernt? Daß ich hier wie in allem anderen auch allein bin. Doch das habe ich schon gewußt, es ist mir nur mit jedem Tag klarer geworden.
Es schien, als würde er schweben.
Da merkte er ganz plötzlich, daß Guido ihn nicht allein gelassen hatte, er hatte lediglich den eisernen Riegel an der Tür vorgeschoben.
Tonio spürte, wie ihm der Atem stockte. Er konnte im Dunkeln nichts sehen, und im Augenblick hörte er auch nichts. Aber er wußte, daß Guido da war und ihn beobachtete. Da packte ihn ein solches Verlangen, daß es ihn in höchstem Maße entsetzte.
Verlangen strahlte von ihm aus. Es strahlte aus in die Dunkelheit und schien sich bis zu den vier Wänden dieses Zimmers zu erstrecken. Er drehte sich um und wartete, wartete.
»Dich lieben?« vernahm er Guidos Stimme. Sie war so leise, daß Tonio sich angestrengt lauschend nach vorne beugte, so als würde er sich den Worten sehnsuchtsvoll entgegenneigen.
»Dich lieben?«
»Ja ...«, antwortete Tonio.
»Ich brenne vor Verlangen nach dir! Hast du das nie geahnt?
Hast du nie hinter die kalte Maske gesehen? Bist du so blind für meine Qual? In meinem ganzen Leben habe ich noch nie jemanden so umworben wie dich, habe ich noch nie wegen jemandem so gelitten wie deinetwegen. Aber es gibt Liebe und Liebe, und ich bin es müde, zu versuchen, das eine vom anderen zu trennen ...«
»Trennen Sie sie nicht voneinander!« flüsterte Tonio. Er streckte die Arme verlangend nach ihm aus wie ein Kind.
»Geben Sie sie mir! Wo sind Sie? Maestro, wo sind Sie?«
Da schien ein Rauschen in der Luft zu liegen, er hörte ein leises Rascheln von Kleidung und Schritte, dann spürte er die beinahe brennende Berührung von Guidos Händen, Händen, die ihn bislang nur geschlagen hatten, und schließlich fühlte er, wie ihn jene Arme umschlossen. In diesem Augenblick begriff er alles.
Er wußte, wie es gewesen war und wie es sein würde. Er spürte Guidos Brust, und dann Guidos stürmischen Mund.
»Ja«, flüsterte er. »Jetzt, ja, alles, ganz und gar...« Er weinte.
Guido saugte an seinen Lippen, an seinen Wangen, nahm sein Gesicht in seine Hände, grub seine Finger hinein, als wolle er es verschlingen. Es schien, als wäre alle Grausamkeit plötzlich in den verzweifelten Wunsch nach Vereinigung verwandelt worden.
Tonio sank auf die Knie, zog Guido mit sich. Er zeigte ihm den Weg. Er bot sich dar, gab das, was Domenico ihm stets gegeben, jedoch nie von ihm verlangt hatte.
Daß es weh tat, war dabei nicht von Belang.
Sollte es nur weh tun. Und obwohl er es kaum ertragen konnte, diesen Mund freizugeben, der auf den seinen gepreßt war und selbst an seinen Zähnen saugte, legte er sich flach auf den Steinboden und sagte: »Mach es. Mach es mit mir. Ich will es.« Guidos schwerer Körper kam über ihn, drückte ihn nieder.
Tonio spürte, wie seine Kleidung geöffnet wurde, aber als er Guidos Glied spürte, erschreckte ihn das. Er stieß einen langen Seufzer aus, dann öffnete sich sein ganzer Körper, und als es wieder kam, kurz, aber hart, dick und pulsierend, bewegte er sich mit ihm. Einen Augenblick lang waren sie miteinander verbunden, während Guidos Lippen auf seinen Nacken
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