Familienbande
Wahrscheinlichkeit zu verringern, von Wilden gesehen zu werden. Wilde hielten sich ungern an sonnigen Orten auf. Genau wie die Diener konnten sie Sonnenlicht nicht ertragen und hielten sich daher davon fern.
Vor circa zehn Monaten war Laney nach Spanien gekommen und hatte sich sehr bald entschlossen in Barcelona zu bleiben, weil es dort ein großes Krankenhaus gab und man immer nach Hilfskräften suchte. Laney hatte zwar keine abgeschlossene medizinische Ausbildung, doch mit ihren neuen Papieren hatte sie keine Probleme gehabt, sich in der Universität für Medizin einzuschreiben. Einen Aushilfsjob bei dem Krankenhaus zu bekommen war dann nicht mehr schwer gewesen. Außerdem war die Stadt groß genug, um Laney genügend Anonymität zu bieten. Niemand würde sich hier zweimal nach ihr umsehen. Ganz gleich, wie hübsch man sie fand, hier war niemand eine einzigartige Attraktion.
Als Laney ihren Wagen vor dem großen Krankenhaus parkte, fragte sie sich vage, was wohl passiert wäre, wenn sie nicht von zu Hause fort gegangen wäre. Hätte sie sich mit Greg schon verbunden? Oder hätte sie sich dagegen entschieden und wäre vielleicht bereits von den Ältesten geholt worden? Marlene war zwar noch nicht wieder wach, aber es war dennoch möglich, dass Akima sich schon vorher um dieses Problem kümmern wollte.
„Guten Morgen, Sammy“, grüßte die Sekretärin am Eingang und Laney lächelte.
„Guten Morgen, Carmen“, gab sie zurück und machte sich auf den Weg zu den Umkleiden. Dort angekommen zog sie ihren Kittel an und heftete ihr Namenschild an die richtige Stelle.
SAMANTHA KAREN COOPER stand da in großen Buchstaben. Sie hatte sich inzwischen schon an diesen Namen gewöhnt, kam sich aber immer noch vor wie eine Schwindlerin. Sie beruhigte sich jedoch jedes Mal wieder mit dem Gedanken, dass sie nicht wirklich die Wahl gehabt hatte. Den Namen Samantha hatte sie aus einem Gefühl heraus gewählt und den Nachnamen hatte man ihr zugeteilt. Laney hatte keine Ahnung, ob es jemals eine Frau dieses Namens gegeben hatte.
Die Arbeit im Krankenhaus machte Laney von Anfang an sehr viel mehr Spaß als die trockene Theorie in der Universität. Laney hatte zwar schon an Leichen herum schneiden dürfen, aber das war doch einfach nicht dasselbe wie Patientenkontakt zu haben. Sie war am Anfang wirklich positiv überrascht gewesen, wie leicht es ihr fiel, dem Geruch von Blut zu widerstehen. Sie hatte zwar sowieso schon vor Jahren aufgehört frisches Menschenblut zu trinken, aber sie war trotzdem davon ausgegangen, dass es wieder schwieriger werden würde, darauf zu verzichten, wenn sie es ständig vor der Nase hätte. Aber nichts dergleichen war geschehen.
Laney vermutete, dass ihre Selbstbeherrschung damit zu tun hatte, dass sie als Kind verbotenerweise Kathleen gebissen hatte, die sich daraufhin in eine Dienerin verwandelt hatte. Für diese Tat hatte man ihren Vater Jason bestraft, weil dieser nicht gewollt hatte, dass jemand von Laneys Existenz erfuhr. Seit diesem Ereignis hatte Laney kein Menschenblut mehr angerührt. Ihre Angst, wieder einen Menschen zu verwandeln, war unendlich groß und allein der Gedanke, erneut frisches Blut zu trinken, war ihr zuwider. Laney hätte zwar auch Zugang zu Blutkonserven gehabt, aber es kam ihr falsch vor den Menschen Blut zu stehlen, das andere zum Überleben brauchten. Ihr genügte es schließlich, in regelmäßigen Abständen Kunstblut zu trinken.
Der Tagesablauf in der Klinik war fast jeden Tag gleich. Morgens half Laney bei den Vorbereitungen für die OPs und durfte dann, wenn sie Glück hatte, mit assistieren. Es gab einige Ärzte, die keine Amerikaner mochten, aber die meisten schienen Laney so zu akzeptieren, wie sie war, und machten sich nichts aus ihrer Herkunft. Sie sprach inzwischen tadelloses Spanisch und versuchte nie, sich in den Vordergrund zu drängen, was ihr zweifellos einige Sympathiepunkte einbrachte.
Mittags ging sie dann in der Regel mit den anderen Mitarbeitern zusammen in die Kantine und tauschte Klatsch und Tratsch aus. Natürlich war allen aufgefallen, dass sie so gut wie nichts aß. Aber Laney war es lieber, für magersüchtig gehalten zu werden, als zugeben zu müssen, dass sie lieber Blut trank als Gemüse zu essen.
Nachmittags war die Visite dran, wobei man es Laney inzwischen erlaubte, einige Patienten allein zu besuchen. Wenn es keine Notfälle gab, dann war ihr Tag um sieben Uhr abends zu Ende und sie konnte wieder nach Hause gehen. Leider gab es aber recht
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