Family Affairs - Verbotenes Verlangen
durchschaute er ihre dicke Lüge. Wie viel wusste er tatsächlich? Sie kam sich vor wie ein Hamster in einem Laufrad, der sich hechelnd abstrampelte, um vorwärts zu kommen, und doch immer auf einem Fleck stehen blieb. Und Victor saß daneben und sah seelenruhig dabei zu.
„Verzeihen Sie mir, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten“, meinte er, nachdem er ihr einen rätselhaften Blick zugeworfen hatte. „Aber um auf Ihre Frage von eben zurückzukommen. Nein, ich habe keine Freundin, und es wird in absehbarer Zeit auch keine geben, wenn ich es vermeiden kann.“
Das wiederum konnte sie kaum glauben. Ein Mann in seinem Alter und mit seiner Ausstrahlung. War er vielleicht schwul?
„Ich habe auch nichts mit Männern, falls sie das glauben sollten“, fügte er amüsiert hinzu.
Toll, Gedanken lesen kann er also auch …
Chloe versuchte, sich ihre steigende Verlegenheit nicht anmerken zu lassen und räusperte sich vernehmlich.
„Sie daten also nicht?“, stellte sie etwas souveräner fest.
„Nein, Chloe. Ich date nicht“, meinte er lakonisch. „In meinem Leben ist kein Platz für Frauen, und ich will das auch in Zukunft dabei belassen.“
Wow, das ist mal eine eindeutige Ansage, dachte sie verblüfft und wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte.
Wie immer in der letzten Zeit wurde das Handy zu ihrem Retter, denn es vibrierte so heftig, dass es sogar durch ihre Tasche hindurch zu spüren war. Sie lächelte ihn entschuldigend an, ehe sie es rausfischte.
„Chloe Carter“, meldete sie sich und blickte kurz zu Victor. Der beobachtete sie genau, ließ mit seinen scharfen Adleraugen keine ihrer Regungen außer Acht.
„Ich bin es. Ross. Darf ich fragen, wo Sie derzeit sind?“
„Im Hotel. In der Blue Bar.“
„Sie sind schon im Haus? Wunderbar, dann mache ich mich mit meiner Tochter auf den Weg.“ Plötzlich wurde seine Stimme leiser, er flüsterte, als wollte er verhindern, dass jemand die folgenden Worte mitbekam. „Ich muss Sie vorwarnen. Paige ist in einer ziemlich explosiven Stimmung, und ich will nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von ihr bekommen.“
Sie warf nach dieser Warnung einen kurzen Blick auf Victor, der immer noch diesen stoischen Gesichtsausdruck zur Schau trug, den nichts und niemand erschüttern konnte. Plötzlich hatte sie eine kleine Eingebung. Chloe wollte unbedingt mal erleben, wie diese unnahbare Fassade ins Wanken geriet, und irgendetwas ließ sie vermuten, dass Paige Turner genau die Richtige dafür sein würde. Warum sollte Victor nicht eine kleine Dosis amerikanischer Halsstarrigkeit abbekommen, die seine britische Gelassenheit erschütterte?
„Ross, wäre es Ihnen möglich, mich hier in der Bar abzuholen? Ich unterhalte mich gerade mit dem zukünftigen Schwager meiner Mutter und möchte ihn ungern einfach sitzenlassen.“
Ross Turner sog so scharf die Luft ein, dass sie es selbst durchs Telefon hören konnte.
„Ihre Mutter will heiraten?“ Er klang ausgesprochen wütend, was sie sich nicht erklären konnte. Was scherte ihn das Privatleben ihrer Mutter?
„Ähm, ja.“
„Wieso haben Sie das nie erwähnt?“
„Ross, ich bitte Sie“, meinte sie eingeschnappt und verstand die Welt nicht mehr, weil er sich so vorwurfsvoll anhörte. „Das ist für ja wohl kaum von Interesse für Sie. Ich breite private Angelegenheiten grundsätzlich nicht vor meinen Kunden aus.“
Damit hatte sie ihn erst mal in seine Schranken verwiesen, und sie fragte sich ernsthaft, ob denn gerade alle vollkommen übergeschnappt waren. Ryan verhielt sich wie der Teufel, wenn er mit ihr schlief. Zügellos und völlig außer Kontrolle verschlang er sie, sobald sie auch nur für fünf Sekunden miteinander allein waren. Leanne spielte derweil „Mummy“. Entweder war das eine neue Rolle, in die sie geschlüpft war, oder sie empfand tatsächlich Reue, was Chloe immer noch nicht so recht glauben mochte. Und Turner … der tat so, als wäre ihr Leben ein Versuchslabor, in dem er herumpfuschen konnte, wann immer es ihm gerade in den Kram passte. Sie war genervt. Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie ihre Siebensachen packte und auf einen anderen Kontinent auswanderte, dann konnten sie alle ihre Psychosen unter sich ausmachen und Chloe hätte endlich ihre Ruhe!
„Es tut mir leid, natürlich haben Sie recht, es geht mich nichts an“, drang es durch den Nebel der Wut an ihr Ohr. „Ich bin nur ziemlich angespannt, weil Paige mir den letzten Nerv raubt. Es wird nicht wieder vorkommen, das
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