Fantastische Jungs. Gay Fantasy Geschichten.
sie es geduldet hatte. Lehrer wurden zur Rechenschaft gezogen, Direktoren unter Druck gesetzt, Handys konfisziert. Uns steckte man in verschiedene Schulen. Freizeitreglementierungen wurden eingeführt, und das alles in einer deutschen Großstadt im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wanja und ich wurden aus unserem glücklichen Paradies vertrieben.
Doch Vertreibungen aus dem Paradies gehen bekanntlich durch Engel mit Flammenschwertern vonstatten, und Engel sind zum Glück meistens schwul.
Da gab es einen heimlich verständnisvollen Lehrer und meinen noch viel geheimer verständnisvollen Onkel. Und natürlich half uns Wanjas Mutter, die zum Glück bald eine neue Anstellung fand. Schwierig und heimlichtuerisch lief das alles ab. Dennoch überstanden wir die folgenden zwei Jahre. E-Mails und SMS flogen hin und her. Wir trafen uns so oft wie möglich und liebten einander mehr als jemals. Denn nun entdeckten wir für uns das Schönste, das Innigste und Beglückendste – das tiefe Einssein der Körper. Zum ersten Mal eroberte ich meinen Wanja ganz, versank mit unglaublicher Lust in seinem Innersten. Er nahm mich in sich auf in süßer Andacht, gab sich voller Vertrauen hin und beschenkte mich schon beim ersten Mal mit seinem Samen, ohne dass er sich überhaupt berührte. Und dann nahm er mich zum allerersten Mal. Ich spürte seine harte Erregung tief in mir und konnte nicht fassen, wie wunderschön es war. Wanja und ich wurden endgültig und unwiderruflich für immer ein einziges Wesen. Denn es war das Herz eines starken Seedrachens, das uns untrennbar verband.
Ich hatte ihn als Kind entdeckt, den Seedrachen, in einem meiner vielen Märchenbücher. Während unserer zärtlichen Krankenlager hatten wir uns das Märchen von der Schlange mit dem gelben Horn gegenseitig vorgelesen, immer wieder. Die Zutaten, die wir für überflüssig hielten – Prinzessinnen, Feen und andere weibliche Wesen – hatten wir nach und nach aus dem Text verschwinden lassen. Schließlich hatte ich für Wanja zum Geburtstag eine »gereinigte« Fassung unserer Märchenbibel in ein kleines, besonders schönes Buch geschrieben. Wanja hatte sie zu meinem Geburtstag noch einmal für mich abgeschrieben und mit farbigen Zeichnungen verziert. Auch mit sechzehn und siebzehn hatten uns diese beiden Büchlein in den harten zwei Jahren immer wieder Mut und Trost gespendet.
Am Ufer des tiefblauen Meeres stand, ganz aus weißem Marmor erbaut, ein Königsschloss, wie es herrlicher und prächtiger wohl nirgends auf der Welt zu finden ist* , hatte ich zum Beispiel nach einem der schrecklichen Tage, an denen wir uns nicht gesehen hatten, unter meiner Bettdecke mit der Taschenlampe gelesen. Es hatte nur einen Fehler. Seine Hallen und Säle, seine Terrassen und Altane waren zu still und leer. Der König und die Königin hatten keine Kinder. – ‘Lasse den Seedrachen töten’, riet ihnen ein alter, grauer Bettler. ‘Sein Herz muss herausgeschnitten, von einer jungen Frau gekocht und von der Königin mit ihr gemeinschaftlich verzehrt werden, so wird die Königin einen Sohn bekommen.’
Und Wanja hatte vielleicht zur gleichen Zeit die Sätze verschlungen: Dem Fischer glückte es, das Ungeheuer zu erlegen. Er war nur auf das Herz des Seedrachens bedacht, schnitt es heraus, verbrannte den Körper und ließ die Eingeweide unbeachtet liegen. Aus diesen aber entstand die Schlange mit dem goldenen Horn. – Seine Frau kochte das Herz des Seedrachens, und die Königin verzehrte es gemeinsam mit ihr. – Nach einiger Zeit bekamen sowohl die Königin wie die junge Fischersfrau ein Söhnchen. Da war die Freude groß, und ein prachtvolles Namensfest wurde gefeiert. Der kleine Prinz erhielt den Namen Emilio, der Sohn der Fischersleute wurde Cannolora genannt. Die Kinder wuchsen zusammen auf und hatten sich so lieb, so lieb. Wo das eine war, wollte auch das andere sein.
Fünf Kilometer entfernt waren meine tränenfeuchten Augen wiederum über die folgende Textstelle geglitten : Als sie zu schönen, schlanken Jünglingen herangewachsen waren, wurmte es die Königin, dass der Sohn des Fischers genauso gehalten wurde wie ihr eigenes Kind und dass das ganze Volk Cannolora ebensoviel Liebe erzeigte wie ihrem Emilio. Sie fand an Cannolora immer mehr zu tadeln und auszusetzen …
Mit achtzehn endlich wurden wir volljährig und zogen zusammen in eine winzige Wohnung, in unser wärmendes, bergendes Nest. Wir mussten sparsam mit dem Geld haushalten, denn ich hatte total mit meinen
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