Fear
ganz fertig. Sie war immer noch etwas wacklig auf den Beinen, also nahm er ihren Arm und führte sie zurück ins Wohnzimmer, während er ihre Entschuldigungen abwehrte.
Er schaltete den Wasserkocher ein, holte ihr ein Glas kaltes Wasser und eine Packung Nurofen. Irgendwo fand er auch einen Lappen, um den Whisky aufzuwischen.
»Es tut mir so leid, Joe.« Ihre Stimme war schon wieder klarer.
»Erzähl mir nicht, dass du den ganzen Tag getrunken hast?«
»Nein. Geschlafen habe ich auch. Und geweint. Geschlafen und geweint.« Sie deutete auf den Glenfiddich. »Der ist von Roy. Hab ihn im Schrank gefunden. Dabei mag ich gar keinen Whisky.«
»Ist auch gut so. Sonst hättest du wohl die ganze Flasche leer gemacht.«
Er wusch den Lappen in der Spüle aus, machte einen starken Kaffee mit viel Zucker und ermunterte sie, ein paar Kekse zu essen. Sie weinte wieder, ihr Brustkorb hob und senkte sich leicht, während sie auf den Kaffeebecher in ihren Händen starrte.
»Wenn es den Anschein hatte, dass ich dich ausfragen wollte, dann nur, weil ich mir Sorgen mache.« Joe sagte nichts mehr, bis sie ihm in die Augen sah. »Seit ich hier angekommen bin, werde ich das Gefühl nicht los, dass du in Schwierigkeiten steckst. Auch wenn du noch so oft beteuerst, dass es dir gut geht. Aber es geht dir nicht gut, oder?«
Diana schüttelte den Kopf, so verloren wie ein kleines Mädchen, das während einer Klassenarbeit beim Schummeln erwischt worden ist. Ihre Hände zitterten, als sie den Kaffeebecher hob und trank. Sie schluckte und seufzte dankbar.
»Ich habe dich angelogen, Joe, ja – aber in deinem eigenen Interesse. Deswegen wollte ich nicht, dass du dich mit Alise einlässt oder mit Leon. Ich kenne dich doch.«
»Ein Dickkopf«, sagte er. »Genau wie Roy.«
Sie schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Sie waren heute Morgen hier – Leon und Glenn. Wollten wissen, wohin du gefahren bist.«
Das gab Joe zu denken, doch er ließ es vorläufig auf sich beruhen. »Fangen wir doch ganz von vorn an – als ihr damals hergezogen seid, da ist irgendetwas zwischen Roy und Leon Race vorgefallen, nicht wahr?«
»Warum sagst du das?«
»Weil er ein guter Polizist war und weil ich nie jemanden gekannt habe, der so ein instinktives Gespür für Menschen hatte wie er.«
Diana lächelte betrübt. »Als Glenn damals vorbeikam, um uns einen Kostenvoranschlag für den Anbau zu machen, fand Roy gleich, dass er ein großkotziger Blender sei. Er meinte, der könnte mit seinem Charme sogar eine Mutter Teresa rumkriegen.«
Joe wand sich. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Er musste es ihr sagen.
Dann fuhr Diana fort: »In unserem ersten Jahr hier hatten wir eine Frau zu Gast. Sie war auf der Suche nach ihrer vermissten Tochter.« Sie hielt ängstlich inne, als ob sie damit rechnete, dass Joe sie anfahren würde. Aber er nickte nur: Red weiter.
»Es war eine ganz ähnliche Geschichte wie die, die Alise dir erzählt hat. Eine junge Frau war spurlos verschwunden. Aus St. Ives, glaube ich, aber irgendeine zufällige Bemerkung hatte ihre Mutter nach Trelennan geführt.«
»Und Roy hat sich erboten, ihr zu helfen?«
»Er hat sich auf die Gelegenheit gestürzt. Trotz all seiner Träume von einem neuen Leben war das hier nicht wirklich das, was er wollte. Es gab immer reichlich zu tun, aber nichts, was ihm einen Adrenalinschub verschafft hätte. Wohingegen das eine Chance war, ein bisschen echte Detektivarbeit zu leisten …«
»Und wie ist Leon auf ihn aufmerksam geworden?«, fragte Joe.
»Du hast es neulich selbst gesagt: Hier passiert nicht viel, ohne dass er es mitbekommt. Roy war längst überzeugt, dass Leon bis zum Hals in kriminellen Aktivitäten steckte, also bot sich das als Ausgangspunkt an.« Diana seufzte. »Selbst als die Mutter schon aufgegeben hatte und nach Hause abgereist war, weigerte sich Roy, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er fiel allen auf die Nerven, folgte den Transportern des Sicherheitsdienstes, versuchte die Polizei vor Ort einzuspannen. Die waren natürlich alles andere als begeistert. Da kommt dieser wichtigtuerische Expolizist aus London daher und will seinen Kollegen in der Provinz zeigen, wie sie ihren Job zu machen haben.«
»Hmm. Feingefühl war noch nie Roys Stärke.«
»Ganz genau. Er hat sie damit nur gegen sich aufgebracht.«
»Und zugleich Leons Zorn auf sich gezogen.« Joe zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Hör mal, Diana, es tut mir leid, dass ich das sagen
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