FebruarNachtsTraum
nicht deine Sachen abgelegt?« Bevor ich antworten kann, hilft mir Alexander aus dem Mantel, nimmt mir meinen Schal ab, stutzt und wickelt ihn wieder rum, als er meine durchweichte Bluse sieht.
Wieder knurrt mein Magen. Ich schleiche eingekeilt zwischen Cecilia und Alexander ins Behandlungszimmer. Auch dieser Raum erinnert an einen Salon. Einzig der Stuhl in der Mitte macht den Unterschied und natürlich ein graumelierter Herr in Jeans und schwarzem Hemd.
Alexander flüstert: »Das ist Dr. Bauer. Roman hat ihn mir empfohlen, in Ordnung?«
Die Angst schnürt meine Kehle zu. Aber ich laufe nicht weg.
»Das müssen wir als Zustimmung werten«, übersetzt Alexander mein Schweigen.
»Nur Mut, junge Dame, ich werd Sie schon nicht umbringen«, scherzt Dr. Bauer.
»Und wenn, dann schickt Roman Ihnen Besuch vorbei!«, grummle ich und lege mich zögernd hin.
Dr. Bauer lächelt amüsiert und keinesfalls eingeschüchtert. Gehorsam reiße ich meinen Mund auf. Eines muss man Dr. Bauer dann zugestehen, wenn es wirklich schlimm aussieht, dann lässt er sich nicht in die Karten schauen.
»Wie viele Spritzen hat sie heute schon bekommen?«
»Zwei«, antwortet Alexander.
»Zwei?« Dr. Bauer klingt nicht erfreut. »Am Morgen?« Nachdenklich geht sein Blick nach rechts oben, als würde er etwas nachrechnen. »Wissen Sie, meine Frau sagt immer, nichts ist schlimmer als ein Baby zu bekommen.«
Ich zapple auf dem Stuhl, denn die Richtung, die dieses Gespräch einschlägt, gefällt mir nicht. Absolut nicht. Meganicht.
»Sie ist nicht Mutter«, erklärt Alexander und verstärkt seinen Griff.
»So? Wie alt sind Sie, meine Liebe?«
Wieder winde ich mich. Klasse, beim Zahnarzt diskutieren zwei mir völlige unbekannte Männer, warum ich noch keine Horde Kinder um mich herum gescharrt habe – und ich dachte immer, Mamas Kommentare reichen mir fürs Leben.
»Sie ist 28.«
»Das ist das beste Alter. Soviel kann ich Ihnen versichern, meine Liebe.«
Ich sinke tiefer in den Stuhl, als Dr. Bauer im Mund eine empfindliche Stelle berührt. Nun ist auch mein Rücken schweißnass. Und verursacht peinliche Quietschgeräusche auf der Lederlehne.
»Ja, das hab ich mir leider gedacht …« Dr. Bauer klimpert bereits mit seinen Instrumenten und gibt eine Kolonne an Wortkürzeln an Cecilia durch. »Ich kann Ihnen nicht noch eine Betäubung geben. Sie müssen jetzt einfach tapfer sein, meine Liebe. Das schaffen Sie, oder?«
Wie bitte?! Weg hier! Wozu lebe ich denn in der Moderne mit all unserer Technik und nicht mehr in der Steinzeit wie die Amish in Amerika? Sofort stemme ich mich hoch, doch Alexanders Reflexe sind sensationell. Er packt mich und drückt mich zurück.
Dann folgt die schlimmste Stunde meines Lebens. Ich heule und immer wieder schießen mir Tränen aus den Augen. Außerdem schwitze ich wie bei 40°C im Schatten. Zwischendurch sacke ich, glaube ich, sogar weg. Die beiden unterhalten sich die ganze Zeit. Aber ehrlich gesagt, verstehe ich kein einziges Wort. Wann hat mir je etwas so weh getan? Das erste aufgerissene Knie im zarten Alter von drei Jahren. Die furchtbare Platzwunde am Kopf mit sieben. Mein eingerissener Fußnagel mit zwölf. Alles Pillepalle dagegen. Das erste gebrochene Herz, definitiv nicht so schlimm wie das hier. Die Verbrennung beim Schweißkurs an der Uni, längst nicht so wild. Meine Wasserlandung vor wenigen Wochen? Zwackte im Vergleich zu dem hier nur etwas. Das hier ist die reinste Folter. Ob man beide beim internationalen Gerichtshof in den Haag anzeigen kann?
Als ich glaube, dass es nicht mehr schlimmer werden kann, ist es plötzlich vorbei. Misstrauisch öffne ich erst das linke und dann das rechte Auge. Wow, ich lebe!
»Das hast du wirklich sehr gut gemacht«, lobt mich Alexander. Er wischt sich erleichtert etwas Schweiß aus der Stirn. Vorsichtig lockere ich meinen Griff und er schüttelt seine Hand und die weiß abgeklemmten Finger, damit sie wieder durchblutet werden.
»Sie sollten Ihren Mund einmal ausspülen und dann vielleicht noch einen Moment liegen bleiben.«
Ausspülen kenne ich. Das ist die leichteste Übung! Ich beuge mich vor und mir wird schwindelig. »Hoppla!«
Alexander fängt mich auf, bevor ich vom Stuhl segle. Er reicht mir den Wasserbecher.
Besser! Auch wenn ich eine eklige metallische Note schmecke. Dass Vampire auf so etwas stehen! Und dass die wieder so in Mode sind! Da hat irgendjemand etwas nicht ganz durchdacht.
»Ich will nach Hause«, vertraue ich Alexander
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