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Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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schreien, und wünschte mir, es gäbe wenigstens ein paar Knöpfe, auf denen ich im sinnlosen Versuch, den Aufzug zu beschleunigen, herumdrücken konnte.
    Eine halbe Ewigkeit später öffneten sich die Türen und gaben den Blick auf eine Szene frei, die ich so eigenartig fand wie einen Gorilla mit Strumpfband.
    Der Aufzug hatte uns offenbar bis aufs Dach des Hotels befördert, sofern man glauben mag, dass sich auf dem Dach des Hotels ein Stück Regenwald aus Borneo befand. Bäume und Büsche wuchsen so dicht, dass ich die Dachkante nicht erkennen konnte. Die nächtlichen Geräusche Chicagos verschwanden nicht ganz und gar, drangen allerdings nur noch gedämpft und wie aus weiter Ferne hier herauf und gingen im Zirpen der Heuschrecken und dem Schnattern irgendwelcher Tiere beinahe unter. Der Wind strich rauschend durchs Unterholz, und silbernes Mondlicht, das heller war, als ich es je für möglich gehalten hätte, verlieh der Szenerie eine gespenstische überirdische Schönheit.
    »Ich bin ja so froh, dass ich gerade in diesem Augenblick noch etwas Ton holen wollte«, sagte das Mädchen und führte mich auf einem Trampelpfad durch den Wald. Schnaufend folgte ich ihr, so schnell ich konnte, und versuchte, Elaine möglichst ruhig zu halten. Zum Glück musste ich sie nicht weit schleppen. Der Pfad beschrieb einige Kurven und öffnete sich dann zu einer weiten, mit Gras bewachsenen Lichtung.
    Ich blieb stehen und sah mich um. Nein, es war keine Lichtung, sondern eher ein Garten. In der Mitte lag ein Teich, in dessen stillem Wasser sich der Mond spiegelte. Überall waren Bänke und Steine verteilt und dienten als Sitzgelegenheit. Hier und dort waren Marmorstatuen aufgestellt, die zumeist Menschen zeigten. Oft waren sie von Blumen eingerahmt oder zwischen junge Bäume gesetzt. Jenseits des Teichs erhob sich etwas, das ich auf den ersten Blick für einen knorrigen Baum hielt, doch dies traf nicht zu. Es war ein Thron aus lebendigem Holz. Der Stamm war in die richtige Form gewachsen, und die Äste und Blätter erstreckten sich darüber wie ein vornehmer Baldachin. Die Wurzeln fächerten aus und verankerten den Thron in der Erde.
    Einige Leute standen herum, und ein mit Farbe bekleckerter junger Mann arbeitete wie besessen und in tiefer Konzentration an einem Porträt. Ein großer Mann von altersloser Schönheit und mit hellem Haar, offensichtlich ein Sidhe, stand in der Haltung eines Lehrers neben einem schlanken Mädchen, das einen Bogen spannte und auf ein Bündel zusammengebundener Äste zielte. Am anderen Ende der Lichtung stieg Rauch von einem aus aufgeschichteten Steinen erbauten Schmiedeofen auf. Davor stand ein breitschultriger, bärtiger Mann mit nacktem Oberkörper, der mit grimmiger Miene in einem gleichmäßigen Rhythmus den Schmiedehammer schwang. Nach einer Weile zog er mit einer Zange eine rotglühende Klinge aus dem Feuer und tauchte sie in einen Trog mit silbrigem Wasser.
    Als ich ihn besser erkennen konnte, wurde mir klar, was er war. Der Dampf wallte um seine mächtigen Vorderbeine, die denen eines Pferds glichen, dann über den menschlichen Bauch und die breite Brust. Ungeduldig stampfte der Kentaur mit einem Hinterhuf und murmelte etwas, während im Wasser des Trogs bunte Lichter tanzten. Anrührende Flötenmusik, traurig und lieblich zugleich, wehte über die Lichtung. Eine junge Frau, eine Sterbliche, spielte die Rohrflöten mit geschlossenen Augen.
    »Wo ist sie?«, fragte ich. »Wo ist die Lady?«
    Abrupt riss der Kentaur den Kopf herum und stieß ein tiefes Knurren aus. Er hob den Hammer, ließ ihn einmal kreisen und kam in leichtem Galopp auf mich zu. Seine mächtigen Hufe stampften dumpf auf dem Boden. »Einer vom Winter? Hier? Das ist nicht gestattet.«
    Unwillkürlich presste ich Elaine an mich, und mein Herz schlug erheblich schneller. Der Kentaur war riesig und offenbar drauf und dran, mich zu töten. »Ruhig, großer Junge. Ich will keinen Ärger.«
    Der Kentaur bleckte die Zähne und wandte sich wutentbrannt mit tiefer Stimme an mich. »Da stehst du mit dem Blut unserer Gesandten an den Händen und erwartest, dass wir dir glauben?«
    Der große Sidhe schaltete sich ein. »Korrick, warte.«
    Darauf bremste der Kentaur ab, stieg hoch und schlug in der Luft mit den schweren Vorderhufen aus. »Mein Lord Talos«, knurrte er frustriert. »Diese Überheblichkeit ist unerträglich.«
    »Frieden«, sagte der Lord der Sidhe.
    »Aber, mein Lord…«
    Der Sidhe trat zwischen mich und den Kentauren, den

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