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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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fürs Schießen zu haben, werde aber trotzdem gern abwaschen, was er dann auch tat.
    Gegen Abend, als einige der Jungs etwas zuviel Bier getrunken hatten und lauter wurden, nahm er seinen Schlafsack, ein recht extravagantes Modell, wie es schien, und verschwand mit der Erklärung, er schlafe lieber draußen. In der Kajüte sei es zu stickig.
    Sie war früh aufgewacht, vor den anderen, stahl sich hinaus und begann in die Richtung zu gehen, in der er am Abend verschwunden war.
    Als sie auf der anderen Seite der Insel ankam, entdeckte sie, daß er im Wasser schwamm und tauchte, als wäre es mitten im Sommer, als betrüge die Wassertemperatur zwanzig und nicht zwölf Grad.
    Sie setzte sich ein Stück vom Schlafsack entfernt hin, wo er sie nicht sehen konnte, und betrachtete ihn. Er machte eine Übung, die er immer wiederholte. Zunächst schwamm er fünfzehn bis zwanzig Meter mit großer Geschwindigkeit und tauchte dann weg. Es dauerte lange, bis er wieder auftauchte. Dann wurde die Übung wiederholt.
    Anschließend schwamm er langsam noch ein Stück weiter hinaus und holte tief Luft. Da blickte sie zur Uhr, um die Zeit zu verfolgen. Er tauchte erst nach zwei Minuten und vierzig Sekunden wieder auf.
    Er schwamm in Richtung Land, auf den steilen Felsen zu, auf dem sie saß; tauchte und verschwand.
    Diesmal vergingen fast vier Minuten, und sie glaubte schon, er sei irgendwo hängengeblieben, und beugte sich unruhig über die Felskante, um nach ihm zu sehen.
    »Hallo«, ertönte es hinter ihr, und sie schrak zusammen. Er stand zwei Meter hinter ihr. »Gehört es zu Ihren Gewohnheiten, Frau Inspektorin, nackten Männern nachzuspionieren? Du weißt doch, wie peinlich klein er in kaltem Wasser wird.«
    Er hatte sich schon die Jeans angezogen.
    »Vor kaltem Wasser schreckst du jedenfalls nicht zurück, wie es scheint.« Sie atmete hörbar auf. Von der Überraschung hatte sie sich noch nicht ganz erholt.
    »Nein. Ich habe in Kalifornien viele Tauchübungen gemacht. Dort ist das Wasser kälter, als die meisten Leute glauben. Es ist einfach eine Sache der Gewohnheit.«
    Sein Oberkörper war nackt, und als er ihren forschenden Blick sah, ging er zum Schlafsack und zog sich seinen blauen Pullover an. Sie ging zu ihm hinüber und setzte sich neben ihn.
    »Was ist da mit deiner Brust passiert?« fragte sie.
    »Du meinst die Narben?«
    »Ja.«
    »Ich habe im Sommer mal ohne Taucheranzug in Korallengewässern Tauchübungen gemacht. Als ich durch eine Höhlenöffnung wollte, wurde es zu eng.«
    Er blickte zur Seite, als er antwortete, und es war nicht herauszuhören, daß er log. Sie beschloß, nicht weiter in ihn zu dringen und sich auch nicht nach Einschuß und Austrittsloch zu erkundigen, die sich kaum mit Korallen erklären ließen.
    »Wenn wir wieder in der Stadt sind, bist du mit einer Einladung zum Essen dran«, sagte er nach einer Weile.
    »Gern«, erwiderte sie. »In einem teuren Lokal oder bei mir zu Hause?«
    »Lieber bei dir.«
    Sie fühlte sich stärker von ihm angezogen, als sie sich eingestehen wollte. Die meisten Männer, die sich plötzlich in Gesellschaft von sechs außerordentlich großen und kräftig gebauten Polizeibeamten befanden, würden sich dabei nicht wohl fühlen. Einmal hatte eines der anderen Mädchen einen Architekten zu einer solchen Segeltour mitgeschleift, und das Ganze hatte mit Streit, Unannehmlichkeiten und fast einer Schlägerei geendet. Doch Carl wich den üblichen Hahnenkämpfen geschickt aus, ohne dabei unsicher zu wirken. Er hatte etwas Eigenartiges an sich, wovon er nichts erzählte, was er auch nicht andeuten wollte. Auf der linken Wange hatte er eine Narbe, die in der Polizeisprache nur von einem harten stumpfen Gegenstand herrühren konnte. Auf der Brust Spuren einer Messerstecherei, die das meiste übertraf, was selbst die gefährdetsten Kollegen je erlebt hatten. Und überdies hatte sie einen weiteren Durchschuß bei ihm entdeckt: auf dem rechten Oberschenkel. Das Eintrittsloch auf der Vorderseite war nur als kleiner weißer Fleck zu sehen, das Austrittsloch jedoch war zu einer länglichen Narbe geworden, auf der die drei Stiche noch deutlich zu sehen waren. Soweit Eva-Britt beurteilen konnte, waren die Verletzungen nur ein paar Jahre alt.
    Normalerweise konnte ein Mensch mit solchen Verletzungen, der kein Polizeibeamter war, nur ein Verbrecher sein. Doch hier bestand keinerlei Zweifel, daß es sich bei Carl um einen richtigen Offizier handelte. Auf dem Rückweg in die Stadt unterhielt er

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