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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schreibtischplatte.
    Als er die Hand nach seiner Zigarettenschachtel und dem Aschenbecher ausstreckte, befiel ihn ein ebenso spontaner wie schwer erklärlicher Tobsuchtsanfall. Er zerknüllte mit weiß werdenden Knöcheln die Zigarettenschachtel und warf sie zusammen mit dem Aschenbecher in den leeren Papierkorb unter dem Tisch.
    Es war ein merkwürdig gewählter Anlaß, mit dem Rauchen aufzuhören. Er hatte lange und harte Arbeitstage vor sich.
    Er nahm sich den Bericht noch einmal vor.
    Es war dem MI 6 also gelungen, einen Überläufer des GRU anzuwerben, und es war natürlich von entscheidender Bedeutung, daß es sich um eine Anwerbung handelte. Die Initiative war von den Briten ausgegangen und nicht von TRISTAN.
    TRISTAN - der Codename lautete so, und der Himmel allein wußte, was er zu bedeuten hatte - war im Londoner Büro der Aeroflot angestellt gewesen. Er hatte eine Liebesgeschichte mit einer Frau angefangen, die etwas mit dem MI 6 zu tun hatte. Worin die Verbindung bestand, wurde nicht gesagt, doch aus diesem Grund war die Angelegenheit offenbar beim MI 6 gelandet.
    Das Unternehmen war also gelungen. Sie hatten ihn draußen am Flughafen Heathrow geschnappt, ihn in eine sichere Wohnung irgendwo am Rande Londons gefahren und ihm das gesamte Programm zugesagt. Nach etlichen Komplikationen beim Foreign Office und mit der sowjetischen Botschaft, die aufgeschrien und von Entführung gesprochen hatte, hatten sie weitermachen können.
    Soweit es die Engländer betraf, war das Ergebnis nicht schlecht. TRISTAN nannte nicht nur die Namen der anderen GRU-Offiziere bei Aeroflot, von denen mindestens zwei den Engländern unbekannt waren, obwohl sie auf der Liste denkbarer oder wahrscheinlicher GRU-Offiziere standen. TRISTAN verriet überdies seinen eigenen kleinen Spionagering, und das hatte anschließend dazu geführt, daß man drei Briten komplett mit Beweisen und Unterlagen in ihren Wohnungen hatte festnehmen können. Bei der Konfrontation mit den Ergebnissen der Hausdurchsuchungen hatten sie schließlich gestanden und warteten jetzt auf Gefängnisstrafen, von denen keine zwanzig Jahre unterschreiten wurde. Der Fall war dabei, als große Spionageaffäre in Großbritannien bekannt zu werden, und der Premierminister würde sie zu einem politisch opportunen Zeitpunkt, was immer das bedeuten mochte, im Parlament bekanntgeben.
    In dem britischen Teil der Affäre, der TRISTANs ureigenes Tätigkeitsgebiet betraf, blieb nichts mehr zu wünschen übrig. Es war ein klassisch durchgeführtes Unternehmen gewesen, allem Anschein nach ein voller Erfolg.
    Das Problem betraf nur die schwedische Verbindung. TRISTAN hatte offenbar vor ein paar Jahren bei Zentral in Moskau gearbeitet und war unmittelbarer Nachbar des Siebten Direktorats gewesen, das für Skandinavien zuständig war.
    Sein Zimmernachbar war für die Auszahlung von Honoraren an skandinavische Agenten zuständig gewesen und hatte urkomische Geschichten über Schwierigkeiten mit einigen der Agenten erzählt.
    In einem Fall ging es um einen Beamten des schwedischen Sicherheitsdienstes, der sich so auffallend kleidete - es ging in erster Linie um ein Jackett mit übergroßen Karos -, daß sowohl sein Führungsoffizier beim GRU als auch sein Vorgesetzter beim schwedischen Sicherheitsdienst sich bemüht hatten, ihn zu einer etwas zurückhaltenderen Kleidung zu überreden. Ein Sicherheitsbeamter, der sich so kleidete, daß er in einer Menschenansammlung von hundert Personen der einzige war, an den sich seine Umgebung erinnern würde, war ein Unding.
    Doch dem GRU und dem schwedischen Sicherheitsdienst war es nicht einmal mit vereinten Anstrengungen gelungen, die Gewohnheiten dieses Mannes zu ändern. Und das war immerhin sehr komisch.
    Und was einen Offizier anging, der praktisch auf dem Schoß des schwedischen Oberbefehlshabers arbeitete, hieß es, er habe die lustige Unart, ein zusätzliches Paar Sonnengläser hochzuklappen, die er auf seiner gewöhnlichen Sonnenbrille befestigt hatte, so daß sie wie Flügel von seinen Augenbrauen abstanden. Das hatte ihm den Codenamen FISCHADLER eingetragen.
    Für Samuel Ulfsson, der sofort gewußt hatte, wer der FISCHADLER war, nahm sich die Beschreibung nicht im mindesten komisch aus.
    Das Komische an dem dritten Agenten, so hieß es, habe zweierlei Ursachen. Erstens habe er an einer Flugzeugentführung teilgenommen, bei der die Entführer, ohne es selbst zu wissen, nur mit Platzpatronen ausgerüstet gewesen seien, und trotzdem habe der

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