Feind des Feindes
Mittagessen zu beginnen.
Bevor man Hamilton selbst hereinrief, mußte entschieden werden, ob man ihn mit dem Abschnitt des Berichts bekanntmachen sollte, der ihn selbst betraf, oder nicht. Da die unvermeidlichen Verhöre ohnehin relativ schnell ergeben würden, worum es dabei ging, und da Hamilton ein in höchstem Maße professioneller Nachrichtenoffizier war, wurde beschlossen, ihn sofort mit dem Inhalt des Berichts bekanntzumachen. Immerhin setzte die bevorstehende interne Ermittlung auch die vollständige Zusammenarbeit mit den Verdächtigen voraus.
Hamilton konnte nicht wissen, ob dies alles war, was gegen ihn vorlag, oder nur eine Auswahl von Angaben und Behauptungen über ihn.
Carl hatte etwa eine Stunde in Samuel Ulfssons Amtszimmer gesessen. Man hatte ihm die eigentümliche Anweisung erteilt, den Raum nicht zu verlassen, bevor man ihn rufe. Er wertete dies als ein Anzeichen nervöser, übertriebener Entschlossenheit, und als er schließlich durch die Flure zum anderen Ende des Hauses ging, in dem der Oberbefehlshaber seine Büroräume hatte, stellte er sich nichts anderes vor, als daß etwas Großes im Gang sei und daß es vermutlich um die Russen gehe. Er war von etwas wie gespannter Erwartung erfüllt.
Das erste, was Carl auffiel, als er den großen Konferenzraum des OB betrat, waren die Stimmung und die starren Blicke, die sich auf ihn richteten. Die Anwesenden begrüßten ihn äußerst reserviert, und als er fragend den Blick des Alten suchte, blickte dieser zur Seite. Carl mußte sich an das hintere Ende des länglichen Tischs setzen, so daß er mehrere Meter von den anderen Männern entfernt saß.
»Lies bitte den Bericht, der vor dir liegt«, sagte der OB kurz angebunden. Die anderen saßen mucksmäuschenstill, als Carl zu lesen begann. Sie ließen ihn spüren, daß er von ihren Blicken durchbohrt wurde.
Die einleitenden Abschnitte des TRISTAN-Berichts hatte er schnell hinter sich gebracht, da ihm klar war, daß die Verbindung zu Schweden folgen mußte. Doch nach der Einleitung folgte urplötzlich eine Seite mit rund zehn Zeilen, die mit AGENT III überschrieben waren.
Nach zwei Zeilen konnte Carl sich nicht mehr konzentrieren und mußte von vorn beginnen. Dann las er unter Aufbietung erheblicher Willenskraft den Text durch, langsam, jedoch nur einmal. Schließlich schob er den Bericht sacht von sich, womit er zu erkennen gab, daß er fertig war. Er sah zu dem Oberbefehlshaber hin, der ihm gegenübersaß und den Blick nicht von ihm wandte. Carl glaubte einen Moment, die Anwesenden würden laut über ihren entsetzlichen Scherz auflachen. Im nächsten Augenblick meinte er, gleich ohnmächtig zu werden.
»Nun«, sagte der OB schließlich.
Carl hatte das Gefühl, als wäre sein Kopf ein ausgeblasenes Ei. Sollte er sich verteidigen, oder was wollten sie von ihm?
»Nun, wie lautet dein spontaner Kommentar?« wiederholte der OB.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, begann Carl schließlich und hatte das Gefühl, als würden ihm die Worte in einem absolut trockenen Mund festkleben. »Sollen wir das etwa ernst nehmen? Was soll ich denn nur sagen?«
»Du bist also der Meinung, die Angaben seien falsch?«
»Ja, natürlich.«
»Sie entbehren jeder Grundlage?«
»Vollkommen richtig.«
»Es liegt also nicht so etwas wie ein Mißverständnis vor, das du erklären oder aus der Welt schaffen könntest?«
»Nein, die Angaben sind frei erfunden. Von A bis Z.«
»Überzeuge uns!«
Carl mußte einen nervösen Impuls bezwingen, vor Lachen laut herauszuplatzen. Es kam ihm vor, als hallte der Raum von einem Echo wieder, als hörte er sich alles in einem Traum an.
»Das kann ich natürlich nicht«, erwiderte Carl, während er verzweifelt versuchte, sein Gehirn unter Kontrolle zu bekommen. »Keiner der Herren hier im Raum könnte sich gegen einen derart geschickt formulierten Bericht zur Wehr setzen. Ich kann nur sagen, daß ich unschuldig bin und daß ich natürlich dem Oberbefehlshaber zur Verfügung stehe, wenn es um alle denkbaren… nun ja, Ermittlungen geht, um eine Erklärung für das hier zu finden.«
»Dann argumentiere doch wenigstens«, fiel der Generalstabschef ein. »Nimm dir eine Behauptung nach der anderen vor und fang mit deren Analyse an.«
Carl riß den Bericht an sich und las ihn erneut durch, während die anderen reglos und unter vollständigem Schweigen warteten.
»Der Bericht ist natürlich bowdlerisiert?« fragte Carl, als er erneut aufblickte.
»Bowdler… was?« fragte
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