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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erstaunlichen Manifestationen gekommen, dass sich selbst Maude Lamont verblüfft gezeigt hatte, meldete ihr Butler, ein Mr. Pitt wolle mit Mr. Tellman
sprechen. Die Sache sei so dringend, dass er sie zu seinem großen Bedauern mitten im Gespräch stören müsse. »Schicken Sie den Mann herein«, sagte Mrs. Drayton, bevor Tellman Gelegenheit hatte, sich zu entschuldigen und zu gehen.
    Schon einen Augenblick später stand Pitt mit bleichem Gesicht im Raum, kaum imstande, seine Erregung zu beherrschen.
    »Wirklich bemerkenswert, Mister Tellman«, fuhr Mrs. Drayton begeistert fort. »Nicht einmal Miss Lamont hatte mit so etwas gerechnet! Ich konnte das Staunen in ihren Zügen sehen, ja, es war wohl sogar mit Furcht gemischt.« Mit vor Erregung lauter Stimme erklärte sie: »In dem Augenblick wusste ich ein für alle Mal, dass sie die Gabe besaß. Ich gestehe, dass ich mich gelegentlich gefragt hatte, ob es sich bei diesen Erscheinungen um Täuschungsmanöver handeln konnte, aber was ich da sah, war unwiderleglich. Als Beweis dafür hat mir der Ausdruck auf ihrem eigenen Gesicht gedient.«
    »Ja, vielen Dank, Mistress Drayton«, sagte Tellman ziemlich unvermittelt. All das kam ihm im Augenblick äußerst unwichtig vor, zumal sie den Mechanismus entdeckt hatten, der vom Tisch aus betätigt wurde, eine einfache mechanische Angelegenheit. Aufmerksam sah er zu Pitt hinüber im Bewusstsein, dass etwas Bedeutendes vorgefallen sein musste, das dringendes Eingreifen erforderte.
    »Bitte entschuldigen Sie mich, Mistress Drayton«, sagte Pitt mit belegter Stimme. »Zu meinem Bedauern brauche ich Inspektor Tellman für eine andere Aufgabe … und zwar sofort.«
    »Oh … aber«, setzte sie an.
    Ohne sie vor den Kopf stoßen zu wollen, sagte er: »Vielen Dank, Mistress Drayton. Auf Wiedersehen.« Er brachte die nötige Geduld einfach nicht auf.
    Tellman folgte ihm und sah, dass nicht nur Lady Vespasias Kutsche vor der Tür stand, sondern sie selbst darin saß.
    »Voisey weiß, wo sich meine Frau und die Kinder aufhalten.« Pitt konnte nicht länger an sich halten. »Er hat den Namen des Dorfes genannt.«
    Tellman spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach und sich eine
eiserne Klammer um seine Brust zu legen schien, die ihm den Atem abschnürte. Natürlich war ihm daran gelegen, dass Charlotte nichts geschah, doch wenn Voisey jemanden ausschickte, ihr zu schaden, bedeutete das automatisch, dass Gracie ebenfalls in Gefahr war. Diese Vorstellung ergriff Besitz von ihm und erfüllte ihn mit Entsetzen. Der Gedanke, Gracie könne etwas zustoßen … Das Bild einer Welt ohne sie trat ihm so deutlich vor Augen, dass er es nicht zu ertragen vermochte. Es kam ihm vor, als könne er danach nie wieder glücklich sein.
    Wie aus weiter Ferne hörte er Pitts Stimme. Er hielt etwas in der Hand.
    »Ich möchte, dass Sie nach Devon fahren, heute, jetzt gleich, und sie alle an einen sicheren Ort bringen.«
    Tellman schloss die Augen und öffnete sie wieder. Pitt gab ihm Geld. »Ja!«, stieß er hervor und griff danach. »Aber ich weiß doch gar nicht, wo sie sind!«
    »In Harford«, erläuterte Pitt. »Fahren Sie mit der Linie Great Western bis Ivybridge. Von dort sind es nur noch wenige Kilometer bis Harford. Fragen Sie nach ihnen, und man wird Ihnen den Weg zeigen. Bringen Sie sie am besten in eine Stadt in der Nähe, wo man untertauchen kann. Mieten Sie eine Unterkunft in einem Stadtteil, in dem viele Menschen leben. Und … bleiben Sie bei ihnen, zumindest so lange, bis das Wahlergebnis für Voisey bekannt ist. Lange wird es nicht mehr dauern.« Er erteilte Tellman den Auftrag im vollen Bewusstsein dessen, was es diesen kosten konnte, wenn Wetron davon erfuhr.
    »In Ordnung«, sagte Tellman. Er kam nicht einmal auf den Gedanken, die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens in Zweifel zu ziehen. Er stieg mit Pitt zu Vespasia in die Kutsche, und ihr Kutscher brachte sie zum Bahnhof. Tellman verabschiedete sich rasch, eilte zum Schalter und nahm den nächsten Zug.
    Die Fahrt kam ihm vor wie ein Alptraum, der nicht aufzuhören schien. Kilometer um Kilometer ratterte der Zug durch die Landschaft. Die Sonne sank allmählich, es dämmerte, und immer noch schien er seinem Bestimmungsort nicht näher gekommen zu sein.
    Tellman stand auf und vertrat sich die Beine. Er konnte nichts tun, als aus dem Fenster sehen, beobachten, wie die Hügel näher kamen, Feldern Platz machten, erneut eine Ebene vorüberzog … Nach einer Weile setzte er sich wieder und

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