Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
»Wir werden uns benehmen.«
Caleb packte sie beide wieder an den Schultern und sagte: »Ich werde dafür sorgen, dass sie das tun. Und jetzt waschen wir uns, und dann werden wir essen. Ich muss
schnell etwas erledigen, und dann sehen wir uns am Abend
die Stadt ein wenig an. Morgen fangen wir an zu arbeiten.«
Tad und Zane nickten. Sie wussten, dass »Arbeit« bei
Caleb zweierlei Bedeutung hatte, und sie waren sehr nervös, was den weniger offiziellen Teil anging.
Zane zeigte auf eine Kaufmannsbude. »Sieh dir die da
an.« Tad nickte, und sie gingen auf die Bude zu, die an
der Südmauer des Hauptbasars im Hajana-Distrikt der
unteren Stadt stand. Die Jungen waren jetzt seit einer
Woche in Kesh und mussten sich immer noch anstrengen, sich nicht zu verlaufen.
Seit sie in der Stadt eingetroffen waren, hatten sie ihre
Tage auf den Märkten und in Läden verbracht, während
Caleb seinen eigenen Aufträgen nachging. Die Jungen
schlenderten in den Handelsbezirken der Stadt umher,
achteten auf alles, was sie sahen, und am Abend erzählten sie Caleb davon. Sie gaben vor, nach brauchbaren
Gegenständen zu suchen, die man im Norden, besonders
in Krondor, teuer verkaufen konnte, und dass sie aus dem
Tal der Träume stammten, was ihren seltsamen Akzent
erklären sollte.
Die Stadt kam ihnen nun nicht mehr so neu vor, obwohl sie sich immer noch leicht von den jüngeren weiblichen Bewohnern ablenken ließen, wenn diese an ihnen
vorbeikamen. Die Kleidungsbräuche reichten von langen
Stammesgewändern, die nur die Augen freiließen, bis zur
Beinahe-Nacktheit der Oshani-Löwenjäger, DingaziHirten und derer vom Wahren Blut. Die Jungen starrten
häufig in stummem Staunen, wenn ein solches Mädchen
von fremdartiger Schönheit an ihnen vorbeiging und die
glotzenden Jungen aus dem Norden ignorierte. Aber
selbst an diese Anblicke gewöhnten sie sich nach und
nach. Und nach ein paar fehlgeschlagenen Versuchen,
vorbeigehende Mädchen anzusprechen, wussten sie nun,
dass man Ausländern kaum ein gewisses Mindestmaß an
Höflichkeit erwies, von Freundlichkeit ganz zu schweigen. Caleb hatte ihnen bereits gesagt, dass Kesh ein
Reich vieler Nationen war, von denen einige erbitterte
Feinde der anderen waren, und nur die eiserne Herrschaft
des Kaisers den offenen Krieg verhinderte. Höflichkeit
war ein Versuch, den Gesetzen zu entsprechen, und hatte
nichts mit tatsächlicher Umgänglichkeit zu tun.
Zane bedeutete Tad, ihm zum Tisch des Händlers zu
folgen, vorbei an einem Straßenhändler, der kühles Wasser mit einer Spur Zitronensaft aus einem irdenen Krug
verkaufte, den er sich auf den Rücken geschnallt hatte.
Die Jungen trugen ihre leichteste Kleidung und waren
immer noch nicht an die Hitze gewöhnt. Und dabei hatte
man ihnen gesagt, dass es in den nächsten Monaten in
der Stadt noch heißer werden würde!
Die Gegenstände, die Zanes Aufmerksamkeit erregt
hatten, waren ungewöhnliche religiöse Amulette und Statuetten. Einige davon waren ihnen vertraut, aber andere
nicht. Sie betrachteten sie unter dem misstrauischen Blick
des Händlers, der offenbar damit rechnete, dass sie versuchten, mit einem Gegenstand davonzulaufen, ohne dafür
zu bezahlen. Nach ein paar Minuten verlangte er: »Kauft
etwas oder geht. Ich habe für solche wie euch keine Zeit.«
Tads Augen weiteten sich. Er war während dieser Woche mehrmals von Kaufleuten und Händlern aufgefordert
worden weiterzugehen, denn diese Leute interessierten
sich nicht für Jungen, die kein Geld hatten. Er sagte:
»Unser Meister hat uns ausgeschickt, uns nach brauchbaren Waren umzusehen, um sie mit nach Norden zu nehmen und im Königreich der Inseln zu verkaufen.«
»Und wer ist dieser Meister, o Wirt von tausend Flöhen?«
Zane versuchte, nicht zu lachen. Er fand die Beleidigungen, die überall auf dem Markt verwendet wurden,
äußerst amüsant. Tad wurde einfach nur wütend. »Caleb,
ein Kaufmann von Wohlstand und hoher Stellung aus
dem Tal der Träume. Er treibt Handel von einem Ende
des Bitteren Meeres bis zum anderen. Habt Ihr Kontakte
zu Handwerkern, die diese Kuriositäten in größeren
Mengen liefern können?«
Immer noch zweifelnd, veränderte der Händler dennoch seinen Ton ein wenig und sagte: »Wenn das stimmt,
wäre die Frage, was du mit ›größeren Mengen‹ meinst.
Einige dieser Gegenstände sind Arbeiten großer Kunsthandwerker, und es braucht mehrere Tage, um sie herzustellen.«
Zane betrachtete die diversen Götterbilder und
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