Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
sie.
Sie trat ein paar Schritte zurück. »Ich kenne dich
ganz und gar nicht.« Sie drehte sich um und stürmte aus der Schenke.
»Baron, wir haben dringende Aufgaben zu erledigen, aber ich muss dies in meinem Bericht
an den Prinzen von Krondor erwähnen«, meinte
James. »Ich schlage vor, dass Ihr Euren Lehnsherrn
in Romney aufsucht, vielleicht auch den König.
Beiden schuldet Ihr ein volles Geständnis, und
ich denke, Ihr solltet Eure Angelegenheiten in
Ordnung bringen. Ich bezweifle, dass der König
Euch im Rang eines Barons belassen wird. Ich
würde außerdem vorschlagen, dass Ihr Ugyne für
eine Weile zu Owyns Familie gebt.«
Owyn erlangte das Bewusstsein wieder. »Was ist
los?«, fragte er.
Gorath half ihm auf die Füße. »Ich hatte jemand
anderen erwartet. Entschuldigung.« Es klang aufrichtig.
Owyn rieb sich das Kinn, das bereits anzuschwellen begann. »Es geht schon.« Er blickte sich
um. »Was ist geschehen?«
»Ich erzähle es dir unterwegs.«
»Unterwegs wohin?«, fragte Owyn.
James zeigte ihnen den Schlüssel, den er Navon
abgenommen hatte. »Zurück zu den Tunneln von
Cavell.«
Als sie die Tür geöffnet hatten, meinte James: »Es
war klar, dass nur ein Familienmitglied wissen
konnte, wie man die Tür von außen öffnet.« Owyn
sprang vom Felsstück herunter. »Wenn die anderen
Kinder aus dem Dorf diese Stelle schon nicht finden konnten, wie hätte dann ein Navon du Sandau
aus Kenting zufällig hier auftauchen und den Weg
hinein finden sollen?«
Sie betraten den dunklen Tunnel, und Owyn
verschaffte ihnen mittels seiner Magie wieder Licht.
»Daher habe ich hier und dort ein paar Fragen gestellt und die nötigen Hinweise bekommen«, fuhr
James fort. »Wir haben den Baron ja gesehen. Man
braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen,
dass die Baronin sich von einem leidenschaftlichen, gut aussehenden Mann angezogen fühlte
– selbst wenn es sich nur um einen gewöhnlichen
Steinmetz handelte. So wurde Neville gezeugt.
Der Baron findet heraus, dass er nicht der Vater
ist, und er und seine Frau kommen überein, nicht
darüber zu sprechen. Aber jeden Tag sieht er den
Jungen und wird an die Schmach erinnert.
Nach zehn Jahren, in denen ihm seine Schmach
täglich vor Augen geführt worden war, hält er es
einfach nicht mehr aus und beschließt, sich zu
rächen. Er will den Verräter in die Tunnel locken
und einen Unfall inszenieren. Unglücklicherweise
hat der Junge gesehen, was passiert ist.«
»Ich war nicht da, und Ugyne konnte den Eingang nicht allein von außen öffnen«, ergänzte
Owyn.
»Und der Baron hat vermutlich gar nicht gewusst, dass es ihn gab. Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Er hat mindestens vier
Menschen auf dem Gewissen und wird sich dafür
verantworten müssen.«
Sie erreichten die Unterkünfte und strebten auf
die Stufen zu, an deren Ende sich die verschlossene Tür befand. »Neville hat es irgendwie geschafft,
aus dem Tunnel rauszukommen. Ich vermute,
dass er entweder verwundet oder verängstigt war
– oder beides. Wir werden es niemals genau erfahren. Jemand muss ihn gefunden haben, und es
gelang ihm zu überleben. Möglicherweise waren
es die Nachtgreifer, aber vielleicht ist er auch erst
später zu ihnen gestoßen. Vielleicht hat ein kluger, junger und talentierter Bursche wie Neville
die Gelegenheit beim Schopf gepackt und die
Kontrolle über die Nachtgreifer an sich gerissen,
als Arutha sie vor zehn Jahren in Krondor beinahe
ausgelöscht hatte. Falls es damals Überlebende
gegeben hat, war es wohl genau der richtige
Zeitpunkt, sich an eine Zufluchtsstätte wie diese
abgelegenen Tunnel zu begeben.
Er hat sein Äußeres so verändert, dass alle, die
den Jungen gekannt hatten, ihn nicht mehr wieder erkennen würden. Manche Leute verändern
sich dramatisch in der Zeit zwischen ihrem elften
und zweiundzwanzigsten Lebensjahr. Vielleicht
haben sie auch Magie angewandt. Wie ich schon
sagte, wir werden es niemals erfahren. Aber wir
wissen, dass Neville einige Beziehungen geerbt hat
– Beziehungen zwischen den Nachtgreifern, den
Moredhel und den Pantathianern.«
Bei den letzten Worten spuckte Gorath beinahe
aus. »Die verdammten Schlangen und ihre Magie.
Ich kann sie nicht ausstehen.«
»Aber Murmandamus hat sie für nützlich befunden.« James unterließ es, den anderen mitzuteilen,
dass sich hinter Murmandamus in Wirklichkeit
ein Pantathianer verborgen hatte, der sich mittels
Magie das Aussehen
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