Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
Zwerg.‹ Ich weiß allerdings
auch nicht, wieso. Das Schild der Schenke war mit
leuchtenden Farben bemalt, doch solange Strubel
der Besitzer war, hat er es nie neu gestrichen. Es
war daher schon ganz verblasst, als ich ihm die
Schenke abgekauft habe. Die Einheimischen nannten es schon einige Zeit nur noch ›Zum Staubigen
Zwerg‹ und ich habe den Namen einfach beibehalten. Außerdem erspart mir der Name, das Schild
neu streichen zu müssen.«
Owyn lächelte pflichtschuldig, während sich der
Wirt um die Wünsche seiner übrigen Gäste kümmerte. Locklear sah so aus, als würde er gleich einschlafen. Trotzdem ergriff er jetzt das Wort: »Nun
gut. Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können
entweder die Hauptstraße runter nach Questors
Sicht nehmen, oder hintenrum durch Eggly und
Tannerus reisen. Das würde uns ein paar Tage
mehr kosten.«
»Ich kann nur Vermutungen anstellen, aber
nach dem, was Gorath erzählt hat, stehen Nago
oder Narab über diese Gedankensprache mit ihren Agenten in Verbindung«, meinte Owyn. »Wie
ich bereits gesagt habe, ich weiß nur wenig über
diese Gedankensprache – aber eines weiß ich
sehr wohl: Sie zu benutzen ist überaus anstrengend. Die Tochter von Pug, dem Magier, gilt als
überaus begabt und fähig, und sie kann sich über
große Entfernungen verständigen, aber sie ist eine Ausnahme, vielleicht sogar eine einzigartige
Ausnahme. Magier mit geringeren Fähigkeiten
müssen sich immer wieder davon erholen.«
Gorath starrte mit ausdruckslosem Gesicht vor
sich hin, doch Locklear sagte: »Komm zur Sache,
wenn es dir nichts ausmacht, Freund. Ich kann die
Augen kaum noch offenhalten.«
»Die Sache ist die: Wer immer dieser Magier ist,
er hält sich irgendwo versteckt und wird wahrscheinlich von einigen Wachen beschützt. Vermutlich
hat er einen oder zwei Schlüsselagenten in einem
bestimmten Gebiet. Seine übrigen Anweisungen
dürften von Boten überbracht werden. Sie wissen
also, wo wir gewesen sind, sie können vielleicht sogar vermuten, wo wir heute sind, aber sie können
nicht ganz sicher sein, und sie wissen nicht, welchen Weg wir nehmen werden.«
»Schön und gut. Aber was hat das damit zu tun,
für welchen Weg wir uns entscheiden?«, fragte
Locklear.
»Es bedeutet, dass er seine Männer zu gleichen
Teilen auf die beiden möglichen Wege aufteilen
muss«, mischte sich Gorath ein. »Daher sollten
wir den Weg nehmen, auf dem wir uns am besten
verteidigen oder auf dem wir uns einer größeren
Gruppe – etwa einer Handelskarawane – anschließen können.«
Locklear winkte den Wirt herbei, der ihm einen
Schlüssel für ein Zimmer im Obergeschoss gab.
Während sie die Treppe hinaufstiegen, meinte
Locklear: »Wenn wir auf dem Rückweg von Kesh
wären, würde sich eine Handelskarawane gut als
Schutz eignen. Aber die Königliche Hochstraße
wird normalerweise sehr gut bewacht. Deshalb reisen die meisten Händler nur mit ein paar Söldnern
als Leibwächter – wenn sie nicht ganz und gar auf
Wachen verzichten. Die meisten Waren werden
ohnehin entlang der Küste auf Schiffen transportiert.«
Mittlerweile waren sie in ihrem Zimmer angekommen.
»Könnten wir es bis nach Questors Sicht schaffen und dort ein Schiff mieten?«, fragte Owyn.
»Womit?«, stellte Locklear die naheliegende Gegenfrage. »Das Empfehlungsschreiben von Hauptmann Belford ist nicht gerade ein königliches
Dekret. Wenn ein Schiff der Kriegsflotte vor Anker
liegen würde, könnte ich den Kapitän überreden,
uns an Bord zu nehmen und nach Krondor zu bringen, aber ich bin nicht wild darauf, herumzusitzen
und zu warten, bis eines auftaucht. Ich bin eigentlich auf gar nichts wild – außer auf einige Stunden
ungestörter Nachtruhe und darauf, Isaac zu finden
und das Rätsel dieses besonderen Rubins zu lösen
und herauszubekommen, wie wir so schnell wie
möglich nach Krondor gelangen.«
»Was die ungestörte Nachtruhe angeht – dagegen lässt sich wohl kaum etwas einwenden«, sagte
Owyn.
Gorath enthielt sich einer Bemerkung.
Eine Stunde nach der Morgendämmerung verließen sie die Schenke. Locklear fühlte sich erstaunlich gut erholt. Bewegungen, die am Vortag noch
zu ununterbrochenen, mörderischen Schmerzen
geführt hatten, fühlten sich jetzt nur noch etwas
steif und schwach an.
Er schlug vor, sich zum nördlichen Ende der
Stadt aufzumachen. »So wie ich Isaac kenne, wird
er wahrscheinlich im Haus seines Cousins wohnen,
einem gewissen Austin Delacroix.«
»Aus Bas-Tyra?«, fragte Owyn, während sie sich
unter die
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