Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
Vom Netzwerk:
eine Hure jedem an, der mit einer Bitte zu dir kommt. Und lädst dir dabei jede Menge Ärger auf den Hals.«
    Ironischerweise kam ich etwa in diesem Moment zu dem Schluss, dass ich eine Chance hatte. Aus irgendeinem Grund wollte dieser Verrückte mich nicht töten – oder zumindest nicht bevor er mir eine strenge Lektion erteilt oder eine Tracht Prügel verabreicht hatte. Wenn ihn diese Zurückhaltung zögern ließ, während er und sein Freund mich völlig in ihrer Gewalt hatten, dann bestand die vage Chance, dass ich mich eines Tages in einer Position befände, in der ich mich an all das erinnern und darüber lachen konnte.
    Ganz egal wie, ich konnte auf den Vorwurf sowieso nicht reagieren, während die Hand des größeren Mannes – Po? – noch immer meine Luftröhre zusammenpresste. Zucker erkannte dies anscheinend. Er tippte auffordernd auf Pos Handgelenk, und Po lockerte seinen Griff ein wenig.
    »Nun«, sagte ich und schluckte unbehaglich, »verraten Sie mir, wer die falschen Leute sind, dann kann ich ihnen in Zukunft vielleicht aus dem Weg gehen.« Ich sprach die Worte undeutlicher aus, als meine anschwellende Lippe verlangte, und ließ auch ein wenig blutigen Speichel aus dem Mundwinkel sickern. Wahrscheinlich wäre es ganz gut, wenn sie glaubten, ich sei angeschlagener, als ich es tatsächlich war.
    »Irgendetwas in deinem Tonfall klingt nach Sarkasmus.« Zucker fuchtelte mit dem Messer vor meiner Nase herum. Die beiden Seiten der Schneide hatten einen unterschiedlichen Glanz und deuteten auf stundenlange liebevolle Arbeit mit einem Streichriemen und einem Scotch-Brite-Kissen hin. Wahrscheinlich würde ich es noch nicht einmal spüren, wenn das Messer in mich eindrang. »Du glaubst gar nicht, wie ungesund Sarkasmus in diesem Moment für dich sein kann. Du solltest lieber an Demut, Reue und uneingeschränkte Kooperationsbereitschaft denken. Wir erwarten nichts anderes.«
    Ich hob beschwichtigend die Hände. »Ich mache nur meinen Job genauso wie Sie«, sagte ich. »Okay? Kein Grund für heftige Drohungen.«
    »Wie ich?« Der Vergleich schien Zucker sauer aufzustoßen. »Wie ich? Sag das noch einmal, und ich schneide dir die Zunge raus.« Ich dachte, dass Wut die Augenwischerei eines Sadisten sein könnte, aber das Glitzern in seinen Augen war echt. Ich hatte bei ihm eine empfindliche Stelle berührt, und er war bereit, sich dafür zu revanchieren. Gut. Das war ein weiterer Punkt zu meinen Gunsten. Wenn er wütend war, dann reagierte er höchstwahrscheinlich dumm und überhastet und deutete meine Aktion falsch, wenn ich sie ausführte. Unglücklicherweise war auch damit zu rechnen, dass er seine Ankündigung wahr machte und mir die Zunge herausschnitt. Ich bewegte mich auf einem verdammt schmalen Grat.
    »Sorry«, sagte ich und senkte meine Stimme zu einem unterwürfigen Murmeln herab. »Tut mir leid, Kumpel. Nichts für ungut.«
    Mittlerweile wurde mein zusätzlicher Sinneskanal, den man am ehesten mit Hören vergleichen konnte, mit betäubenden Missklängen verstopft. Diese Kerle sahen durchaus menschlich aus, wenn man sich die Augenbrauen wegdachte, aber sie waren
loup-garous
: tote menschliche Seelen, die in Tierkörper eingedrungen waren, sie besetzten und so weit umformten, dass man nicht mehr erkennen konnte, was sie ursprünglich gewesen waren. Jedenfalls nicht bevor der Mond aufging – dann war alles möglich. Als ich erkannte, womit ich es zu tun hatte, richtete ich den Blick zu Boden. Einige Wer-Menschen reagierten auf direkten Augenkontakt genauso wie männliche Silberrückengorillas. Wenn ich es mir recht überlege, könnte Po irgendwann in seiner Post-mortem-Phase durchaus ein Gorilla gewesen sein. Vielleicht war das jedoch für London ein wenig zu exotisch. Die auferstandenen Toten bedienten sich gewöhnlich von dem, was die unmittelbare Nachbarschaft hergab.
    »Nun, vielleicht willst du uns demonstrieren, wie leid es dir wirklich tut«, schlug Zucker süffisant vor. »Vielleicht hast du Lust, die Seiten zu wechseln. Wie klingt das für dich?«
    »Würde ich liebend gern. Auf welcher Seite bin ich denn jetzt? Ich meine, auf wessen Seite war ich, ehe ich auf Ihre hinüberwechselte? Weil ich bereits gewechselt habe, als Sie es vorschlugen. Ungelogen. Sie müssen mir nur sagen, wem ich von hinten eins drüberziehen soll, und ich tu’s. Sagen Sie, was Sie sich wünschen, okay?«
    Zucker zögerte. Ich wusste auch warum. Wenn man derjenige war, der sozusagen seinen Gegner bei den Eiern gepackt

Weitere Kostenlose Bücher