Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Wer, wenn nicht die Jungen, hatte die Szene gestellt?
»Wann hast du die Zigarette geraucht, Abdul?«, wollte er wissen.
Der Junge schaute auf seine Freunde. Sie waren jetzt alle mit dem Welpen beschäftigt, der sich munter zwischen ihnen hin und her wälzte. Verschämt wie zu Anfang wirkten sie jetzt nicht mehr.
»Wir haben alle mal dran gezogen, als wir über den Teich gepaddelt sind«, antwortete Luc. »Selbst Mathieu hat mal gepafft. Es war für ihn das allererste Mal.«
»Und was ist mit der Wodkaflasche?«, fragte Bruno.
»Die ist von Onkel Philippe, aber sie war schon leer, als er sie uns gegeben hat«, erklärte Luc.
»Und die Kerzen sind auch von ihm, ja?«
Luc nickte.
»Onkel Philippe hat euch also die Kerzen, die Farbe und die Flasche gegeben, damit ihr sie in die Madonnenkapelle bringt«, fasste Bruno zusammen und versuchte, beiläufig zu klingen. »Aber als ihr dort angekommen seid, war die Madonna schon schwarz, die Wand beschmiert, und auf dem Steinblock lag der Ziegenkopf. Ist das richtig so?«
»Werden Sie Onkel Philippe sagen, dass Sie das von mir wissen?«, fragte Luc. »Ich will nicht, dass er Ärger bekommt. Er wollte das alles doch nur für diesen Artikel, damit mehr Touristen kommen.«
»Verstehe«, sagte Bruno. Er wandte sich an Jean-Paul. »Weiß dein Vater, dass du den Schlüssel genommen hast?«
Jean-Paul warf einen verstohlenen Blick auf Luc, Abdul und Mathieu, senkte den Kopf und murmelte: »Ich glaube, ja.«
»Onkel Philippe hat gesagt, es sei alles arrangiert«, fügte Luc hinzu.
»Habt ihr was dafür bekommen?« Ihm, Bruno, und dem Herausgeber der Zeitung in Périgueux würde Delaron einiges erklären müssen. Mit seiner erst kurzen Karriere als Pressefotograf wäre es wahrscheinlich bald vorbei. »Ein Eis vielleicht oder Kaugummis?«
»Er hat jedem von uns fünf Euro gegeben.«
Eigentlich fand Bruno Delaron durchaus sympathisch. Er hatte Verständnis dafür, dass dem vorwitzigen jungen Mann die Arbeit im Fotoladen seiner Eltern auf die Dauer langweilig wurde und er nicht immer nur Hochzeitsfotos und Studioporträts machen wollte. Angefangen hatte er mit kleinen Fotoreportagen von Rugbyspielen und Schulveranstaltungen, und inzwischen war er ein durchaus versierter Pressefotograf geworden. Aber was er sich nun erlaubt hatte, war unter aller Kritik und empörend. Überdies lag der Verdacht nahe, dass Marcel, der Höhlenpächter, und womöglich auch der Baron mit von der Partie waren, um mit einer solchen Inszenierung das Geschäft anzukurbeln. Doch noch während Bruno allmählich in Wut geriet, wurde ihm bewusst, dass die vier Jungen die Hauptleidtragenden sein würden, wenn er das Komplott auffliegen ließe.
»Was ist also passiert, als ihr den Ziegenkopf und die schwarz angemalte Madonna gesehen habt?«, fragte Bruno.
»Die haben wir zuerst gar nicht gesehen. Wir hatten nur eine Taschenlampe«, antwortete Jean-Paul. »Aber ich weiß, wo die Schalter sind, und als Mathieu gegen den Ziegenkopf gestoßen ist, habe ich Licht gemacht. Da haben wir dann alles gesehen und sind abgehauen.«
»Zurück zum Boot?«, fragte Bruno vorsichtig. »Und über den See auf die andere Seite?«
»Ja, in dem Boot, mit dem wir gekommen sind. Da lag nämlich noch ein anderes, das wir im Dunkeln nicht gesehen haben. Am Bühnenausgang habe ich dann den Hauptschalter umgelegt.«
»Was hast du deinem Papa erzählt?«
»Nichts. Wir hatten alle Riesenschiss.«
Eigentlich sollte Delaron für die Sache geradestehen, dachte Bruno, doch er ahnte, dass letztlich die Jungen alles ausbaden mussten. War das dem Onkel bewusst gewesen, als er seinen Neffen für seine Zwecke eingespannt hatte? Wahrscheinlich hatte er dem Jungen weisgemacht, es sei alles nur ein Scherz.
Aber würde Bruno die Jungen aus allem raushalten können, wenn er Delaron auffliegen ließe, um zu verhindern, dass die falsche Geschichte weiterverbreitet wurde? Um den Herausgeber der Zeitung zu überzeugen, brauchte er handfeste Beweise, und ohne die Aussage der Jungen hatte er nur sein eigenes Ehrenwort und das von Florence. Er schaute die junge Lehrerin an und sah, wie ihr Blick von einem Schüler zum anderen wanderte, während sie Balzac streichelte, der an ihren Fingern knabberte. Würde sie bezeugen, dass die Story fingiert war, und Auskunft darüber geben, welchen Anteil die Jungen daran hatten? Daran zweifelte Bruno, der unter anderem gerade wegen ihrer Verschwiegenheit große Stücke auf sie hielt.
»Ich möchte nicht, dass
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