Ferien mit Mama und andere Katastrophen
interessierten sich für den kretischen Landbau. Nur Mama und ich schielten sehnsüchtig auf die leuchtenden Orangen. Zu gern hätten wir eine davon gepflückt, doch wir trauten uns nicht, denn zehn Meter hinter uns schlich Zadek.
Wir versammelten uns schließlich alle vor dem steinernen Haupthaus. Von hier konnte man über die ganze Ebene schauen. In der Ferne funkelte das Meer. Auf den ersten Blick sah das Anwesen ziemlich vertrocknet aus. Reihen von Weinstöcken wanden sich die staubigen Hänge herauf. Dazwischen rangen Tomaten und anderes Gemüsezeug um ihr Leben.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Es war noch nicht zehn Uhr und mein T-Shirt schon wieder zum Auswringen. Den anderen ging es nicht viel besser. Kubasch ratterte die Anbauzahlen des Bauern herunter. Ich konnte mir nichts davon merken, außer, dass wir anschließend im Weinkeller eine kleine Erfrischung bekommen würden. Bei dem Wort »Wein« verzog Zadek das Gesicht, worauf Kubasch ihm versicherte, es gebe auch normalen Saft.
Mir war egal, was wir tranken. Ich hatte nur eine Sorge: Wie kam ich nachher bloß unbemerkt aus dem Hotel? Mama würde mich hier keine Minute allein fortlassen und abends schon gar nicht. Während wir in den kühlen Keller hinabstiegen, überlegte ich, was Luise wohl tun würde. Wahrscheinlich hemmungslos lügen. Aber das war ja das Problem, Mama sieht mir jede Lüge sofort an.
Der Weinkeller entpuppte sich dann als ein kleines, finsteres Verließ, das eigentlich nicht für Besichtigungen neugieriger Touristen gemacht war. Wir quetschten uns alle auf eine schmale Bank an einem Holztisch. Rechts neben mir hockte Mama und auf der anderen Seite Zadek.
Und dann kam Kosta, der Bauer. Was gäbe ich darum, nur halb so braun zu sein wie er! Dafür musste man bloß jeden Morgen um vier Uhr aufstehen, um dann unkrautzupfend über die Plantage zu kriechen. Auf jeden Fall schien diese Arbeit gut für die Laune zu sein, denn Kosta begrüßte uns wie alte Freunde in seinem »bescheidenen Weinkeller«. Von wegen bescheiden, mit dem Inhalt könnte man wahrscheinlich halb Berlin besinnungslos machen.
Plötzlich stieß Mama mich an und flüsterte: »Sophie, ist das nicht dein Kellner?«
»Das ist nicht mein Kellner«, zischte ich zurück.
Aber da stand er tatsächlich! Grinsend und mit einer lila Schürze um die Hüften balancierte er ein Tablett mit vollen Gläsern auf uns zu. Ich war geschockt, das traf es wohl am ehesten. Eingequetscht zwischen Mama und Zadek erwartete ich irgendeine Katastrophe, auch wenn ich nicht genau wusste, welche. Vielleicht brauchte ich heute Abend gar keine Ausrede mehr.
Zum Glück war es schummrig unter den Kellerbögen, sonst hätte man zwischen Mama und Zadek jetzt einen Mond aufleuchten sehen. Was um alles in der Welt trieb Nikos hier? Verfolgte er mich etwa? Lächelnd stellte er vor jeden ein Glas Wein, nur Zadek und ich bekamen Saft.
Bei mir verharrte er einen Moment, doch ich schaute demonstrativ zu Kubasch, der sich gleich angesprochen fühlte: »Ja, Sophie, hast du eine Frage?« Woraufhin ich ihn in ein Gespräch über die Bodenerosion auf Kreta verwickelte. Keine Ahnung, was dieser Nikos dabei dachte. Dass ich eine Meise hatte? Als ich wieder hinschaute, war er mit seinem Tablett verschwunden.
Als wir zurück ans Tageslicht stiegen, fühlte ich mich vollkommen benommen. Vielleicht war der Zettel beim Frühstück ja ein Versehen gewesen. Vielleicht meinte er eine ganz andere Sophie. Wer sollte sich auch schon mit so einer Idiotin wie mir treffen wollen? Irgendwie hatte ich mir Kreta anders vorgestellt, nicht so anstrengend. Einfach mit Mama am Strand liegen und braun werden. Ohne peinliche Fremduniversen. Hätte das nicht gereicht?
»War er’s nun?«, fragte Mama, als wir zu Kostas kleinem Hofladen hinübergingen.
»Hmm«, seufzte ich.
Und dann rettete mich erst mal das kretische Gold vor weiteren Befragungen. Kosta war der absolute Geheimtipp in Sachen Öl auf der Insel. Es war einfach unglaublich, was für einen Tanz die Lehrer wegen ein paar Flaschen Olivenöl aufführten. Selbst in Zadek schien kurzfristig Leben zurückzukehren.
»Ich muss ihr doch ein Geschenk mitbringen«, murmelte er und quetschte sich auch noch in den kleinen Laden.
Ich setzte mich draußen auf eine schmale blaue Bank und wartete. Dabei hielt ich natürlich ein wenig Ausschau. Es quälte sich bereits der nächste Trupp den Berg hinauf. Enttäuscht bohrte ich meine Sandalen in den Sand. Ich hatte gedacht, wir
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