Fesselndes Geheimnis
das Gefühl, dass es mir gelungen war.
»Na gut«, knurrte er schließlich. »Aber versprich mir, dass du dich sofort meldest, falls da etwas aus dem Ruder läuft oder du mich doch brauchst.«
Ich versprach es ihm.
Leicht verschwitzt legte ich den Hörer auf und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Konnte ich Felix hier gebrauchen? Wohl eher nicht.
Mein Blick glitt zu einem der kleinen Läden, die an der Haltestelle geöffnet hatten und blieb an den Postkarten hängen. Eine zeigte ein Kunstwerk, das mich an die Eisenskulptur erinnerte. Gunter! Gunter zu überprüfen, das musste mein nächster Schritt sein!
Kapitel 16
Fast im selben Gedankenzug rief ich Mara Noire an und erfuhr von ihr, dass Gunter in etwa einer Stunde im Club sein würde. Wie immer.
»Nanu, Christine … hat Gunter dich mehr beeindruckt als Vincent?« Ihr Lachen klang beinahe anzüglich und ich sah mich gezwungen einzustimmen, um jedweden Verdacht im Vorfeld auszuräumen.
Zum Glück fragte sie nicht weiter, freute sich nur, dass ich ebenfalls bald kommen würde – und ich hatte noch Zeit, mir einen leichten Salat als Stärkung zu bestellen.
»La Belle Folie« lag zu dieser nachmittäglichen Stunde noch viel ruhiger da als es gestern am Abend der Fall gewesen war, als Vincent und ich verfrüht dort eingetroffen waren.
Aber Gunter war tatsächlich in der Kellerbar – offenbar seinem Lieblingsplatz – wo er diesmal ein frühes Bier trank. Offenbar hatte er mich schon erwartet, denn er blickte mir aufmerksam entgegen, als ich die Treppe herunter kam.
»Na … sweet Christine«, brummte er. »Du hattest Sehnsucht nach mir?«
Rasch schüttelte ich den Kopf, lächelte ihn aber charmant an. »Nein, wissen Sie … ich habe inzwischen jemanden gefunden.«
»Vincent Delano?« Er war also im Bilde.
»Ja.«
»Schade. Ich meine, schön für dich! Aber ich hätte gern mein Versprechen erfüllt, dir so richtig den Hintern zu versohlen.« Er seufzte. »In der Regel halte ich meine Versprechen!«
Ich setzte mich neben ihn und nahm mir ein Ginger Ale.
»Es war neulich auch sehr schön mit Ihnen, Gunter …«, sagte ich lächelnd und zauberte ein winziges Versprechen in meine Augen. »Vincent hat mir berichtet, dass Sie ein bedeutender bildender Künstler seien. Kunst fasziniert mich, und ich würde gern mehr darüber erfahren – Sie wollten mir schon bei unserem letzten Treffen davon erzählen, nicht wahr?«
Seine grünbraunen Augen leuchteten auf, offenbar hatte ich einen Nerv getroffen.
»Stimmt! Ich freue mich, dass du dich dafür interessierst. Ja, ich erschaffe Skulpturen, schon seit vielen Jahren … und Madame Noire ist fast so etwas wie meine Mäzenin. Hast du dir eines meiner Werke angeschaut?«
»Ja, den Stierkopf«, antwortete ich.
»Ah, LE TAUREAU FOU, der Verrückte Stier. Genau, ihn zum Beispiel hat Madame mir finanziert. Ich war ihr dafür sehr dankbar … sie hilft mir, wo sie nur kann. Manchmal natürlich passieren Sachen, die ihre Kräfte übersteigen … oder ihr WOLLEN … so wie vor sechs Monaten …« Er verstummte. Sein Gesicht trug auf einmal einen merkwürdigen Ausdruck, beinahe schuldbewusst.
»Was war denn da?«, hakte ich möglichst unauffällig nach. Und tat so, als bemerke ich seine veränderte Stimmung nicht.
»Oh, es stand in allen Zeitungen, sogar überregional. – Eins meiner Kunstwerke in den Dünen, eine große, begehbare Skulptur aus Eisen, NEO-ATLANTIS habe ich sie genannt, wurde durch ein Unwetter fast ganz zerstört. Die Kosten für die Restauration waren schwindelerregend.« Er trank sein Bier in einem Zug aus und schenkte sich nahezu zeitgleich das nächste ein. »Zum Glück half mir nur kurz darauf ein alter Freund; er gab mir nicht nur genügend Geld, um es zu restaurieren, sondern hat sogar selbst mitgearbeitet.« Der alte Künstler kicherte, als amüsiere er sich über seine Erzählung und darüber, dass er mir etwas sagte, ohne dass ich es verstand. – Aber vielleicht wurde ich auch nur langsam paranoid? »Hat eigens Hand angelegt und an der Restauration von NEO-ATLANTIS mitgewerkelt. Das war mir viel wert, denn ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste und wusste seine Tatkraft sehr zu schätzen …« Gunter lächelte und seufzte in wehmütiger Erinnerung, während er sein Bier in tiefen Zügen herunterkippte.
»Ein alter Freund?« Ich gab meiner Stimme einen ungläubigen Klang. Welcher alte Freund tauchte ausgerechnet in solch einem Moment auf – mit genug Geld und Tatkraft?
»Ja.«
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