Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Tox!“, sagte sie. „Extra für so eine Gelegenheit aufgespart!“
„Du verwöhnst mich!“, rief Gangwolf. „Dafür verrate ich dir auch, dass Grohann die goldenen Zeichen von Tann besitzt!“
„Was?“, rief Alabastra. Es klang bestürzt. „Wie kommt er denn dazu?“
„Du bist nicht begeistert?“
„Angenommen, er würde den entflohenen Gefangenen finden, bevor Dorn es tut“, sagte Alabastra aufgeregt, „dann könnte er die Zeichen von Tann ändern und neu verteilen!“
„Was ist daran so schlimm? Die Zeichen, die Dorn von den anderen beiden Gefangenen bekommen hat, taugen dann nur noch zum Abwischen vom Allerwertesten. Ich kann nicht sagen, dass ich das bedaure!“
„Ja, aber der Steinbock! Du magst ihn doch auch nicht! Er besitzt zu viel Macht. Wer die geheimen Zeichen von Tann verteilt, hat eine Schlüsselstellung im Staat!“
„Ach, Alabastra“, sagte Gangwolf entspannt und nippte an seinem Glas mit weißem Tox. „Ich könnte es doch sowieso nicht ändern, selbst wenn ich es wollte. Grohann hat grundsätzlich die besseren Karten und die größeren Befugnisse.“
„So darfst du nicht denken! Unterschätze nicht deine Bedeutung, Gangwolf.“
Sie sagte das mit Nachdruck, doch Gangwolf nahm es nicht ernst. Der weiße Tox schmeckte unnachahmlich. Er war schon lange nicht mehr in den Genuss einer solchen Kostbarkeit gekommen. Schwarzer Tox war nicht zu verachten, aber weißer Tox – jeder einzelne Tropfen davon war ein Gedicht!
„Ich wollte dich noch um einen Gefallen bitten, Gangwolf“, sagte Alabastra und nippte an ihrem eigenen Glas. Kaum berührte der weiße Tox ihre Lippen, fing er an zu blubbern. Kleine Luftblasen stiegen auf und verflüchtigten sich zischend. Das hatte Gangwolf schon als Kind fasziniert. Alabastras Spinnengift reagierte mit allen möglichen Getränken, auf unterschiedlichste Weise.
„Ja, ich höre?“
Alabastra legte eine kleine, flache Dose neben sein Glas.
„Darin stecken wichtige Informationen. Kein Fremder darf sie zu Gesicht bekommen. Sie sind zwar verschlüsselt, aber du weißt ja, wie das ist. Irgendeiner kriegt’s immer raus. Wenn du Porleen siehst, könntest du ihm die Dose geben?“
„Sicher, kein Problem.“
„Aber Gangwolf, es ist wirklich wichtig: Niemand darf sie bekommen! Trag sie am besten immer bei dir. Bei dir ist sie am sichersten aufgehoben.“
„Ganz, wie du möchtest. Sie ist ja klein und handlich.“
„Du bist ein Schatz!“, erwiderte sie und lächelte. „Mein guter Junge.“
Kapitel 18: Zufluchten
Maria saß vor dem kleinen Spiegel des Zimmers, das sie zurzeit mit Thuna und Lisandra bewohnte, und wickelte eine Haarsträhne nach der anderen auf, um sie kunstvoll mit ihren diversen Haarspangen am Kopf zu befestigen. Kunibert, das Strohpüppchen, saß vor ihr auf der Kommode und sah ihr andächtig dabei zu. Noch nicht mal die Hälfte ihrer Haare hatte Maria eingedreht und befestigt, dabei war es höchste Zeit, zum Frühstück zu gehen.
„Das sieht ja sehr hübsch aus, Maria“, sagte Thuna. „Aber sollten wir nicht langsam aufbrechen?“
„Geht ruhig ohne mich. Ich habe keinen Hunger.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“
Lisandra gab sich weit weniger Mühe mit ihren Haaren. Für gewöhnlich entknotete sie ihre Locken mit den Fingern, wann immer sie ungeduldig war und eine Beschäftigung brauchte. Einen Kamm nahm sie nur in die Hand, wenn es gar nicht mehr anders ging. Heute band sie das lockige Haar mit einem Gummi zu einem Knoten zusammen, das dauerte ungefähr eine Sekunde.
„Willst du wirklich mit leerem Magen in die Spiegelwelt gehen?“, fragte die ewig hungrige Lisandra. „Es kann Nachmittag werden, bis wir zurückkommen!“
„Dort gibt es Kekse.“
„Die machen aber nicht satt!“, ermahnte Thuna ihre Freundin. „Ich bringe dir etwas Genießbares aus dem Hungersaal mit und du isst es, bevor du in den Trophäensaal gehst. Einverstanden?“
Maria wickelte die nächste Haarsträhne auf.
„Ja, ist gut. Danke.“
Lisandra schüttelte den Kopf.
„Gehen wir. Sie sieht nicht so aus, als ob sie ihre Meinung noch ändert.“
Thuna nickte besorgt und schloss sich Lisandra an. Die Tür fiel hinter den beiden zu und Maria blieb mit ihrem Spiegelbild allein. Seufzend sackte sie in sich zusammen, immer noch eine Haarsträhne in der Hand haltend. Eine Weile starrte sie traurig auf die Oberfläche der Kommode, vor der sie saß, dann nahm sie ihre Willenskräfte zusammen und richtete sich wieder auf. Die
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