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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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dass sie ihn diese Ewigkeit lang vermissen würde, dass sie sich nach ihm verzehren, sich nach seiner Stimme und seinem Lachen sehnen würde. Einen Vorgeschmack davon hatte sie schon bekommen, oben, als sie noch unter den Menschen weilte und er so lange fort war. Und dieses Mal kam erschwerend hinzu, dass sie auch ihre Tochter für immer verlor.
    Bryn wandte schnell den Blick ab.
    „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, meinte sie nur und machte sich auf den Weg den Korridor entlang. Lokan folgte ihr. Sie zuckte zusammen, als er ihre Hand nahm. Die Finger ineinander verschlungen, gingen sie weiter wie ein Paar, das friedlich durch einen Park spaziert, und nicht wie zwei Wesen, die an einem der unheimlichsten und gefährlichsten Orte unterwegs waren, die es gab.
    Vor der Tür blieben sie stehen. Es war weder ein Türgriff noch ein Schloss zu sehen, nur ein Türflügel aus glattem, blank poliertem Holz. Bryn wartete einen Augenblick schweigend ab, ob ihr ein magisches Wort, ein Name, ein Zauberspruch in den Sinn kam, der ihnen den Zugang frei machte. Als nichts dergleichen geschah, drehte sie sich zu Lokan um und sah ihn fragend an. „Irgendwelche Vorschläge?“
    Er zuckte nur die Achseln, langte über ihre Schulter hinweg und gab der Tür mit der Handfläche einen Stoß.
    Ohne Weiteres schwang sie auf, und Bryn lachte ungläubig.Als sie eintraten, sahen sie sich zu beiden Seiten von gewaltigen Säulen umgeben, die so hoch waren, dass sich ihre oberen Enden in der Dunkelheit verloren.
    Lokan streckte die Hand nach der Säule aus, die ihm am nächsten stand, und fuhr mit den Fingerspitzen über die Zeichen, die in die Oberfläche gemeißelt waren. Dann blickte er sich genauer in dem Halbdunkel um. „Hier müssten eigentlich Wachen stehen – bei jeder Säule eine.“
    „Kennst du das hier?“
    „Ich war schon einmal hier. Dieser Gang führt zu der Halle der Wahrheit und Gerechtigkeit.“
    Darunter konnte sie sich nichts vorstellen. Dennoch jagte der Name ihr einen Schauer über den Rücken, als ob sie tief im Innern doch eine Ahnung hatte. „Wann warst du hier?“
    „Als ich von meinem Vater zu einer Unterredung mit Osiris geschickt worden bin.“
    „Oh, muss … interessant gewesen sein.“
    Er gab einen Laut von sich, bei dem man nicht sicher sein konnte, ob es ein Lachen oder nur ein unwilliges Knurren war. „Selbst erklärte Feinde haben ab und zu mal das Bedürfnis, sich miteinander zu unterhalten.“
    „War es das, was ihr gemacht habt? Euch unterhalten?“ Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sich hier ein dunkles Geheimnis verbarg.
    Er schob das Kinn vor. Seine Miene verriet, dass die Erinnerung an diesen Ort alles andere als angenehm war.
    „Was machst du für ein Gesicht?“, fragte sie. „Das hier kann doch nicht schlimmer sein als all diese Schlangen- und Feuergeschichten, die wir schon durchgemacht haben.“
    „Es ist schlimmer. Bryn …“
    Weiter kam er nicht, denn eine furchterregende, geisterhafte Stimme unterbrach ihn. „Ihr werdet gerichtet werden.“
    Bryn spähte ringsum in die Dunkelheit, konnte aber nichts entdecken. Es war niemand da und nichts zu sehen als die endlose, leere Flucht zwischen den monströsen Säulen, die jetztallerdings durch ein gespenstisch grünliches Licht schwach erleuchtet wurde.
    „Lokan Krayl mag passieren“, fuhr die fremdartige Stimme fort, „aber Lokan Krayl ist tot.“
    „Danke für den Hinweis, aber Lokan Krayl war tot“, entgegnete Lokan trocken. „Vergangenheit. An deiner Grammatik musst du noch arbeiten.“
    „Du wirst gerichtet werden.“
    „Hatten wir alles schon. Ich weiß, wie das läuft.“
    Die Ankündigung, gerichtet zu werden, bedeutete in der Unterwelt selten etwas Gutes. Bryn wusste zwar nicht genau, was da auf sie zukam, aber fest stand, dass es unerfreulich wurde.
    Lokan nahm sie wieder an die Hand und führte sie den Gang hinunter, den nun nach und nach vor ihnen das seltsame grüne Licht erfüllte, das ihnen den Weg wies. „Es kann auch alles gut werden“, meinte er. Sehr überzeugend klang das allerdings nicht. „Vielleicht erleben wir ja auch nur die Kurzversion. Überlass das Sprechen mir. Und die Sauerei hinterher auch.“
    „Die … Sauerei?“ Bryn hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Aber sein Tonfall schien ihre Befürchtungen zu bestätigen.
    Ein kratzendes Geräusch wie von den Krallen einer Ratte ließ sie aufhorchen. Im Augenblick glaubte sie eine verhüllte Gestalt mit glühend roten Augen und dem Kopf eines

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