Feuerteufel: Roman (German Edition)
Was für einen Sinn macht es denn zu leben, wenn man nur noch eine Belastung ist?«
»Cecilia, bitte, sag das doch nicht. Du bist keine Belastung.«
Er ging um den Tisch und setzte sich ihr gegenüber. Wagte es nicht, sie anzufassen.
»Doch, das bin ich wohl. Für dich. Für alle. Ich weiß es.«
Sie hatte ihn immer noch nicht angesehen, sondern blinzelte nur zur Tischplatte, das Gesicht in den Händen verborgen.
»Für Tindra ja wohl nicht, oder?«
»Doch. Für alle. Auch für Tindra. Ich will nett zu ihr sein, mir lustige Sachen ausdenken, aber das schaffe ich nicht, sondern schimpfe mit ihr, obwohl sie so klein ist. Sie wird mich als die gemeinste Person der Welt in Erinnerung behalten.«
»Das stimmt nicht«, sagte er.
Er hörte selbst, wie mechanisch das klang. Dasselbe hatte er sicher schon hundertmal zuvor gesagt.
»Doch, natürlich stimmt das«, fuhr sie abgehackt fort. »Ich bin so einsam. Es ist, als säße ich allein unter einer Glasglocke, und da draußen ist alles Lebendige. Und du bist so …«
Jetzt sah sie ihn an. Ihre Wimpern waren feucht und verklebt.
»Du bist so seltsam«, sagte sie. »Ich verstehe dich nicht mehr. Du bist wie in einer anderen Welt, du verschwindest, bist telefonisch nicht zu erreichen. Du scheinst dich nicht mehr um mich zu scheren.«
»He, du, natürlich schere ich mich um dich.«
»He, du. He, du. He, du. Ist das das Einzige, was du sagen kannst? Du bist wie auf einem anderen Planeten. Sogar wenn du hier bist.«
Cecilia verbarg das Gesicht wieder in den Händen.
»Du liebst mich nicht mehr«, sagte sie leise. »Wenn ich gesund wäre, würdest du mich verlassen. Stimmt doch, oder?«
»Nein, natürlich würde ich das nicht tun.«
»Du lügst. Und nicht einmal gut. Ich weiß es.«
Ja, ich lüge, dachte Kjell-Ove. Aber offensichtlich bin ich nicht der Einzige hier, der etwas verbirgt. Wieder sah er Anjas erschrockenes Gesicht vor sich. Sag bloß Cecilia nicht, dass ich mich verplappert habe. Sie flippt aus. Was hatte Cecilia eigentlich am Sonntagabend gemacht?
Magdalena sank aufs Sofa und blieb lange mit dem Kalender auf dem Schoß sitzen. Dann machte sie die Gummischnur los und blätterte zur Jahresübersicht ganz hinten, wo sie ihre Menstruationstage mit Ringen ums Datum eingetragen hatte, eine alte Gewohnheit seit ihrer Jugendzeit.
Die letzte Reihe Kringel begann am Mittsommertag. Das war an die sieben Wochen her. Magdalena rechnete mehrmals nach, ehe sie den Kalender auf der Armlehne ablegte.
Klar hatte sie in der letzten Woche wenig Appetit gehabt. Das war das letzte Mal auch so gewesen, aber es konnte an allem Möglichen liegen. Wer mochte in dieser tropischen Hitze schon essen? Und was den seltsamen Kaffeegeschmack anging, hatte sie keinen Vergleich. Damals hatte sie noch nicht so gern Kaffee getrunken wie heute, nach ihren Jahren als Nachtreporterin in Stockholm.
Der Laptop lag aufgeklappt neben ihr auf dem Sofa. Der Bildschirmschoner lief – ein Foto von Nils wurde in verschiedene Teile zerteilt, die dann herumgewirbelt und wieder zusammengesetzt wurden. Ungeduldig klopfte sie auf die Mausfläche, und das Mosaik verschwand.
Wenn aber. Ein Kind. Ihres. Petters Augen. Seine Locken. Ein Freudenstoß durchfuhr sie.
Sie versuchte, sich einen Kinderstuhl am Küchentisch vorzustellen, ein Gitterbett im Schlafzimmer, eine Hüpfschaukel in der Tür.
Petter könntest du doch wohl mitnehmen, oder kann man den nicht umziehen?
Magdalena stellte den Computer weg und legte die Hände auf den Bauch. Versuchte, nicht an damals zu denken. Der Schmerz. Die Zeit danach. Wie die Trauer Petter und sie auseinandergebracht hatte.
Natürlich war sie nicht schwanger. Völlig unmöglich.
Vorsichtig stellte Christer Berglund das Bierglas auf den Balkontisch und setzte sich auf einen der Plastikstühle. Die Sonne ging hinter dem Berg unter, aber es war immer noch warm. Die Drähte von den großen Stromleitungen zur Eisenhütte malten schwarze Wogen an den Abendhimmel.
Die Stille wurde von einem aufheulenden Auto auf der Straße unten zerrissen. Christer erhob sich und stellte fest, dass es sehr wohl der knallgelbe Golf war, umlackiert und mit dem Namen des Fahrers – Der Biber – bemalt. Als der Lärm vorüber war, setzte er sich wieder und lehnte den Kopf an die Wand.
Seine Mutter hatte ein Wachstuch mit Apfelmuster auf den kleinen Tisch gelegt. An jeder Ecke hingen Früchte aus blauem Glas, damit das Tuch nicht wegflog. Auch ohne Einrichtungsexperte zu sein, konnte
Weitere Kostenlose Bücher