Fingermanns Rache

– sie zog daran, und eine Klappe schwang auf. Um das Geheimfach leeren zu können, musste sie sich auf ihre Zehenspitzen stellen. Marion fand ein Handy und mehrere Mappen. Auf jeder Mappe stand ein Name. Ihrer ganz oben.
    Außer Atem kehrten Illsen und Uhl zurück.
    »Der angrenzende Raum ist der Heizungskeller. Von dort kann man ungesehen in den Hinterhof und zu den Parkplätzen gelangen. Bei alledem würde es mich nicht wundern, wenn Arndt mit einem bereitgestellten Auto verschwunden wäre«, keuchte Illsen. »Ich habe ihn zur Fahndung ausschreiben lassen.«
    Marion nickte abwesend und schloss ihre Akte.
    »Was haben Sie da?«, fragte Illsen.
    »Soweit ich es beurteilen kann, sind das Unterlagen zu Personen, die beim LKA 1 arbeiten.«
    »Bin ich auch dabei?«
    »Natürlich.« Marion lächelte müde. »Außerdem das Handy, mit dem Arndt Kontakt zu seinen Komplizen hatte.«
    »Gespeicherte Nummern?«
    »Viele. Es gibt eine Menge zu überprüfen.«
    »Das alles ist vollkommen verrückt. Dieser Arndt hat uns alle an der Nase herumgeführt.«
    »Das Beste kommt noch«, entgegnete Marion. »Schauen Sie sich das Loch mal genau an.«
    »Kein Mörtel«, stellte Illsen fest.
    »Ja. Die Steine wurden nur lose aufeinandergeschichtet und durch die Dämmplatten zusammengehalten. Mit dem Stemmeisen«, Marion deutete in eine Ecke, »war es ein Leichtes, die Wand aufzubrechen.«
    »Aber das hätte man doch hören müssen. Und warum gibt es hier ein Stemmeisen?«
    Der junge Polizist verteidigte sich. »Der Arndt war kein Gefangener. Das Stemmeisen hat er für seine Figuren gebraucht, hat er zumindest behauptet. Und Krach war den ganzen Tag in seiner Bude. Mal hat er getrommelt, mal gehämmert. Meine Kollegen und ich haben uns nicht darum gekümmert.«
    »Das konnten Sie ja nicht wissen, das konnten wir alle nicht wissen«, beruhigte ihn Marion.
    »Und warum weiß Arndt, dass gerade in diesem Raum die Wand präpariert worden ist? Warum ist sie überhaupt präpariert?«, ereiferte sich Illsen.
    Marion seufzte. »Das alles ist auf ganz lange Sicht geplant worden. Vor sechs Jahren wurde das Gebäude renoviert. Rohre wurden verlegt und Wände eingesetzt. Schon damals muss Arndt einen Bauleiter oder auch nur einen Maurer bestochen haben. Er ließ diesen Raum präparieren, um sich dann von uns, was für ein Witz, hier einquartieren zu lassen.«
    »Es hätte aber auch ein anderer Raum sein können.«
    »Wir haben ihm die freie Wahl gelassen. Wir waren ja froh, dass er überhaupt bereit war, hier zu nächtigen.«
    Illsen schüttelte ungläubig den Kopf. »Diese Akten, sind die von Arndt angelegt worden?«
    »Ich denke schon. Zumindest sind sie mit handschriftlichen Vermerken Arndts versehen – ich kenne seine Schrift.«
    »Dann können wir davon ausgehen, dass seine Obdachlosigkeit nur Tarnung war. Sie hatten tatsächlich recht mit Arndt.«
    »Eine Tarnung, die er schon über zehn Jahre auslebt, so lange ist er zumindest bei der Bahnhofsmission bekannt.«
    »Das macht die Sache noch viel unheimlicher. Was bewegt einen Menschen, sich für seine Ziele so aufzuopfern? Ich verstehe das nicht.«
    »Vor allen Dingen müssen wir seine Ziele hinterfragen. Er hat willentlich seine Tarnung aufgegeben – jetzt wird nach ihm gefahndet. Warum tut er das? Warum zieht er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich? Ist es Eitelkeit? Selbstüberschätzung? Ist es ein Spiel für ihn, ein Spiel mit Menschen und Schicksalen?«
    »Offensichtlich kümmert ihn sein eigenes Schicksal nicht, insofern kann man schon von einem Spiel sprechen. Ein Spiel, das dazu dient, uns zu verwirren, uns zu beeindrucken. Gerade deshalb müssen wir einen kühlen Kopf bewahren. Arndt hat bisher alles sehr gut geplant, dennoch begeht jeder Mensch Fehler. Er muss Fehler begangen haben. Und die werden wir aufdecken. Es gibt Fakten. Mehrere Personen sind an den Verbrechen beteiligt. Arndt, Loki, die Frau auf dem Video. Dann noch die Person, die das Ganze gefilmt hat. Vermutlich gibt es noch weitere Helfer, die zum Wegschaffen von Bakkers Leiche benötigt wurden. All diese Menschen hinterlassen Spuren. Wenn erst die Befragung in der SM -Szene anläuft, werden wir sicher Ergebnisse erhalten. Auch verspreche ich mir viel von den Nummern auf dem Handy und den Dossiers.«
    »Wir müssen aber davon ausgehen, dass Arndt die Hinweise absichtlich zurückgelassen hat, vielleicht sogar, um uns zu verwirren. Im Grunde genommen hat sich für uns nichts geändert. Arndt ist uns immer mindestens einen