Fingermanns Rache
Beweise, haben Sie das schon vergessen? Beweise, die Sie nicht liefern konnten.«
»Mir scheint, Sie suchen einen Schuldigen, Frau Staatsanwältin. Wollen Sie von Ihrer Verantwortung ablenken? Das wird Ihnen nichts nutzen. Zu allen Vorgängen gibt es Protokolle. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»So, Sie haben sich also nichts vorzuwerfen?« Hilde Rensch lächelte spöttisch. »Das ist ja interessant. Haben Sie denn nicht durch Ihr eigenmächtiges Handeln Loki in die Enge getrieben? Sind Sie denn nicht verantwortlich für Fabian Flaigs Verstümmelung?«
Marion senkte den Kopf. Ihre Wut wich großer Unsicherheit, sie sackte regelrecht in sich zusammen. »Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte doch nur das Beste. Es tut mir leid.«
»Leid tut es ihr. Das ist ja nett. Wenn Fabian Flaig diese Geschichte überlebt, dann können Sie ihm das ja persönlich sagen. Ich bin gespannt, wie er reagieren wird.«
»Wir sollten jetzt sachlich bleiben«, mischte sich Sandt ein, doch Rensch hörte nicht. Ihre Pitbull-Augen fixierten Marion.
»Eines ist klar, Frau Tesic. Wenn dieser Fall abgeschlossen ist, werden Köpfe rollen. Und meiner wird es nicht sein.«
Marion konnte den Blick der Staatsanwältin nicht erwidern. Fang jetzt nur nicht an zu heulen, mahnte sie sich.
Das Läuten von Renschs Handy erlöste sie. Die Staatsanwältin wandte sich ab, um in einer Ecke des Büros zu telefonieren. Sandt übernahm wieder die Leitung. Er sagte ein paar abschließende Worte und beendete dann die Besprechung; Marion verließ fluchtartig das Büro.
Immer noch den Tränen nahe, eilte sie den Gang entlang. Illsen konnte kaum Schritt halten.
»Nun beruhigen Sie sich doch«, sagte er und versuchte sie aufzuhalten.
Marion blieb stehen. Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich weiß nicht, wie ich das verkraften soll.«
Illsen berührte ihren Arm, ging dann aber auf Distanz. »Das hatten wir doch schon, Frau Tesic. Sie tragen keine Schuld an Flaigs Verstümmelung, die war von vornherein geplant. Wenn Sie Ihre Arbeit weiterhin gut machen wollen, dann müssen Sie sich das zu Herzen nehmen.«
»Die Staatsanwältin ist aber anderer Meinung.«
»Frau Rensch muss ja nicht immer recht haben.«
»Nein, das muss sie nicht.« Marion versuchte ein Lächeln. »Wir alle wissen doch, wie sich der Fall entwickelt hat. Warum macht sie dann gerade mich zum Sündenbock? Es gibt noch genügend andere, die ebenso verantwortlich sind, ganz abgesehen von ihr selbst. Außerdem glaube ich, dass die saubere Frau Staatsanwältin etwas zu verbergen hat. Ihre Reaktion, als sie ihr Dossier gelesen hat, war mehr als auffällig.«
»Nun, wir alle haben mit den Dossiers unsere Probleme, das ist ganz normal. Aber Renschs Vorhaltungen gegen Sie, die sind schon auffallend. Vielleicht sollten Sie sich mal aussprechen. Ich kann nur sagen, dass ich mit ihr gut zurechtkomme. Auch alle anderen Abteilungen sind mit ihr zufrieden.«
»Ach, hören Sie doch auf. Wer legt sich schon gern mit der zukünftigen Oberstaatsanwältin an?«
»Wenn Sie das so sehen.« Illsen machte eine Pause und wechselte dann das Thema. »Ich habe unsere Vorgehensweise in dem Fall noch einmal überdacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie recht hatten«, sagte er umständlich.
»Inwiefern?«
»Wilbur Arndts Vergangenheit betreffend. Ich bin der Meinung, Sie sollten die Nachforschungen in dem ehemaligen Kinderheim wieder aufnehmen.«
»Zuletzt klangen Sie aber anders.«
»Lassen Sie es mich erklären. Durch die jüngste Entwicklung scheint mir Ihre Theorie zu Arndts Motiv gar nicht mehr so abwegig. Er will uns manipulieren, unsere Ermittlungen beeinflussen, sie in eine bestimmte Richtung lenken. Deshalb müssen wir, so wie Sie es vorgeschlagen haben, die ausgetretenen Pfade verlassen. Sie werden nach Tromptow gehen und Arndts Vergangenheit durchleuchten. Vielleicht finden Sie die Verbindung zwischen Arndt und Loki, die wir suchen. Vielleicht stoßen Sie auf Lokis wahre Identität und seine möglichen Aufenthaltsorte. Wenn wir Loki finden, finden wir auch Arndt.«
»Diese Untersuchungen können sich über mehrere Tage hinziehen. Ich dachte, ich werde hier gebraucht«, entgegnete Marion.
»Durch die Einsetzung der Soko habe ich nun ausreichend Personal zur Verfügung. Dann ist da noch Mendel, der von Beginn an dabei war. Er wird mich mit den mir fehlenden Informationen versorgen können. Sie hingegen sind die Einzige, die sich mit den Ermittlungen in Tromptow gut auskennt. Es ist die richtige
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