Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
befahl ihr, in den Wagen zu steigen. Dennoch hörte ich ihre eiligen Schritte, wie sie in meine Richtung kamen. Doch es war Kujon, den sie in flehentlichem Ton ansprach. »Ich hatte Recht. Ihr wolltet mir nicht glauben, aber ich hatte Recht. Ich habe Euch den Hinweis gegeben. Ohne mich wärt Ihr fortgeritten, ohne zu wissen, dass er hier direkt vor Euch gestanden hat. Das Gold gehört mir, aber ich will Euch gern die Hälfte abgeben. Das ist mehr, als Ihr von Rechts wegen verlangen könnt, das wisst Ihr.«
»Ich an deiner Stelle würde in den Wagen klettern«, beschied Kujon ihr kalt abweisend. »Sonst ist er weg, und wir sind weg, und du stehst allein auf weiter Flur und hast nichts anderes als einen langen Fußmarsch vor dir.«
Tassin war klug genug, darauf nichts zu erwidern, doch auf dem Rückweg zum Wagen murmelte sie unzählige Flüche vor sich hin. Von Dell wurde sie daraufhin mit einem Donnerwetter empfangen, sie sei eine vermaledeite Last und Plage, und wie froh er sei, sie am Blauen See endlich loszuwerden, wo sie sich übrigens darauf gefasst machen könne, in einen anderen Dienst zu kommen, wo man ihr die Flausen dann schon austreiben werde!
»Stell ihn auf die Füße, Joff«, wies Kujon einen seiner Leute an.
Kaltes Wasser schwappte mir ins Gesicht. Ich wollte die Augen aufreißen, aber nur eins ließ sich öffnen. Verschwommen sah ich, wie eine Soldatin sich nach meiner Kette bückte und daran zerrte. Der Ruck rief alle vergessenen Schmerzen wach. »Steh auf!«, befahl sie. Ich brachte nur ein kurzes Nicken zustande, wobei sich ein lockerer Zahn bemerkbar machte. Mein anderes Auge schien zugeschwollen zu sein. Ich wollte die Hände heben, um mich davon zu überzeugen, wie übel mein Gesicht zugerichtet war, doch ein erneuter Ruck an der Kette ermahnte mich, es bleiben zu lassen. »Soll er reiten oder laufen?«, fragte die Soldatin namens Joff, während ich mich mühsam vom Boden aufraffte.
»Meinetwegen könnte er den ganzen Weg bis Fierant hinterherlaufen, aber das würde uns zu sehr aufhalten. Er reitet. Setz ihn auf dein Pferd, du steigst solange hinten bei Arno auf. Binde ihn im Sattel fest und halte dein Pferd gut an der Leine. Er stellt sich jetzt dumm, aber er ist hinterhältig und verschlagen. Ich weiß nicht, ob er mit der Alten Macht all das zu vollbringen vermag, was man ihm nachsagt, aber ich habe auch keine Lust, es herauszufinden. Also sei auf der Hut und hab gut auf ihn acht. Wo steckt Arno überhaupt?«
»Im Gebüsch, Hauptmann. Die Verdauung. Schon heute Nacht war er dauernd unterwegs, um sich zu erleichtern.«
»Hol ihn her.« Kujons Ton ließ keinen Zweifel daran, dass ihm die Nöte des Mannes völlig gleichgültig waren. Meine Aufpasserin eilte davon, und ich war eine Weile mir selbst überlassen. Vorsichtig betastete ich mein Gesicht. Ich hatte nur jenen einen Schlag kommen sehen, aber offenkundig waren ihm danach weitere gefolgt. Beiß die Zähne zusammen, ermahnte ich mich streng. Gib nicht auf und warte ab, welche Möglichkeiten sich bieten. Als ich die Hände sinken ließ, sah ich, wie Kujon mich beobachtete.
»Wasser?«, nuschelte ich fragend.
Ich rechnete nicht damit, dass mein Wunsch erfüllt werden würde, doch dann winkte er doch einem seiner Männer, der mir einen Eimer Wasser und zwei Stücke Hartbrot brachte. Ich trank und kühlte mein Gesicht. Das Brot war sehr hart, und mein Mund war wie zu Brei geschlagen, aber ich bemühte mich, trotzdem zu essen; denn mehr würde ich bis zum Abend wahrscheinlich nicht bekommen. Mein Beutel war verschwunden, vermutlich hatte Kujon ihn mir abgenommen. Auch Burrichs Ohrring war verloren - ein Gedanke, der mir zusätzlich einen Stich versetzte. Während ich vorsichtig an meinem Stück Hartbrot nagte, fragte ich mich, ob er sich wohl über die verschiedenen Pulver in meinem Beutel gewundert hatte.
Wir verließen die Wasserstelle als Erste. Merle sah noch einmal zu mir her, doch ich konnte ihre Miene nicht deuten. Creece und mein Meister vermieden es tunlichst, mich anzuschauen, auf dass wegen mir auch ja kein Makel auf sie fiel. Es war so, als hätten sie mich nie gekannt.
Man hatte mich auf eine kräftige Stute gesetzt und meine Handgelenke eng am Sattelknauf festgebunden, so dass es mir unmöglich war, in halbwegs bequemer Haltung zu reiten. Ich fühlte mich ohnehin schon wie eine zerbrochene Gliederpuppe. Man hatte mir nur die kurze Kette zwischen den Fußknöcheln abgenommen; die längere Kette, die zu meinen Handgelenken
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