Flaming Bess 06 - Sternbaronat Roter Riese
terrassenförmig ansteigenden Wänden, an denen primitive Behausungen wie Schwalbennester klebten. Die Bewohner waren nach draußen geströmt und beobachteten schweigend und mit ausdruckslosen Gesichtern die vorbeibrausende Gleiterkolonne.
Dann bogen sie in einen weiteren Hauptstollen ein, und die Fahrt endete an einer Mauer aus hochgetürmten Steinblöcken und mit metallverstärkten Brustgewehren. Ein Teil der Mauer versank rumpelnd im Boden. Zortan und Flaming Bess verließen den Gleiter. Auf Zortans Befehl legten ihr zwei Soldaten Handfesseln an. Andere Soldaten führten Rhonn Endor durch die Öffnung in der Barikade; sein Gesicht war grau und von Erschöpfung gezeichnet, aber er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
Sie warf Zortan einen Seitenblick zu.
Die Miene des Generals war undurchdringlich. »Folgen Sie mir«, sagte er barsch.
Hinter der Barrikade wimmelte es von Soldaten. Alles deutete darauf hin, daß sich die Stahlhand auf einen Angriff der Rebellen vorbereitete. Die Männer wirkten nervös, und in vielen Gesichtern entdeckte Flaming Bess zu ihrer Überraschung kaum verhohlenen Groll. Der Groll galt nicht Rhonn Endor; im Gegenteil — es war die Tatsache, daß er als Gefangener an ihnen vorbeigeführt wurde. Es war offenkundig, daß der Rebellenführer die Sympathien zahlreicher einfacher Soldaten genoß. Zortan bemerkte es ebenfalls. Grimmig wies er die Wachen an, sich zu beeilen, packte Bess’ Arm und schob sie grob in einen Seitengang. Hinter ihnen schloß sich ein schweres Metallschott.
Der Gang führte in eine große, von mächtigen Steinsäulen beherrschten Höhle. Schatten verdunkelten die hohe Decke, die Wände waren von glitzernden Kristalladern durchzogen. Die Säulen bildeten einen weiten Ring um ein wuchtiges Steinplateau, in einem kostbaren Thronsessel saß ein bleicher, hohlwangiger Mann. Ein weitgeschnittenes rotes Brokat- und Seidengewand verhüllte seine Gestalt. Sein Haar war silbern und lang wie das Rhonn Endors, und auch sein Gesicht wies eine leichte Ähnlichkeit mit dem Rebellenführer auf.
Am Fuß der Steintreppe, fast lauernd nach vorn gebeugt, stand ein weiterer Mann, gnomenhaft und mager, mit riesigen albinoroten Augen, mausgrau gekleidet.
Der Mann auf dem Thron mußte Baron Stork sein, aber wer war der Gnom? Vielleicht dieser Lochmoch, den Rhonn erwähnt hat, dachte Bess, der Chefwissenschaftler des Barons.
Stork stand langsam auf, und in seinen Augen, die er starr auf Rhonn Endor gerichtet hielt, leuchtete Triumph.
»Willkommen daheim!« rief er höhnisch dem Rebellenführer zu. »Willkommen daheim — Bruder.«
Natürlich, dachte Flaming Bess, das erklärt einiges. Rhonn Endors Beliebtheit beim Volk, sein Einfluß auf die Stahlhand, die Erbitterung, mit der die Auseinandersetzung ausgetragen wird. Zwei feindliche Brüder, von denen keiner nachgeben kann. Endor nicht, weil sein Ziel, das Höhlenvolk an die Oberfläche zu führen, keine Kompromisse erlaubt; Baron Stork nicht, weil Verhandlungen mit den Rebellen einen gefährlichen Kniefall vor seinem Bruder bedeuten würde.
Sie sah den Haß in Storks Augen und die stolze Verachtung in Endors Gesicht, und resignierend gestand sie sich ein, daß es keine Möglichkeit einer friedlichen Einigung gab. Der Bruch zwischen den beiden Brüdern war endgültig.
Gravitätisch stieg der Baron die Treppe herunter und baute sich vor Rhonn Endor auf, die Arme in die Hüften gestemmt, den Mund zu einem selbstzufriedenen Lächeln verzogen.
»Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet, Bruder«, murmelte er. »Und doch ist der Sieg bitter … « Stork seufzte theatralisch. »Warum mußtest du mich verraten, Bruder? Warum mußtest du mein Vertrauen auf so schändliche Weise enttäuschen?«
Rhonn Endor maß ihn mit einem kalten Blick. »Erspar mir deine Heucheleien. Wir beide wissen, wer der Verräter ist. Und nenn mich nicht Bruder. Meine Brüder sind jene, die du zu einem Leben in Finsternis verdammst.«
Der Baron lachte. »Noch immer hast du eine Vorliebe für große Worte. Rührend, wie du um das Wohl des Höhlenvolkes besorgt bist.« Er fuhr herum und sah zum ersten Mal Flaming Bess an. Etwas wie Begierde glomm in seinen kohlenschwarzen Augen auf, und seine Blicke waren wie die Berührung feuchter, kalter Hände. Mit abgezirkelten Schritten kam er auf sie zu. »Hat er auch Ihnen weisgemacht, daß er selbstlos für die Rechte des unterdrückten Volkes kämpft? Rhonn Endor, der Rebell, der Streiter des Lichts gegen das
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