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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schon nach Mitternacht war, drängten sich auf den Highways und Straßen fliehende Zivilisten. Nick wurde klar, dass er hier das Ende des schon seit Tagen anhaltenden Auszugs von Hunderttausenden Latinos aus L.A. – überwiegend aus dem Ostteil der Stadt – erlebte, und zwar sowohl von alteingesessenen Bewohnern als auch von neuen Einwanderern, die mit der Welle der Reconquistasiege nach Norden gespült worden waren. Nur hier und da bemerkte Nick Überreste der Militärtruppen von Nuevo Mexico – zerbeulte Hummerjeeps, die sich ihren Weg durch die Trauben von Zivilisten bahnten, und gelegentlich einen Helikopter, der im Tiefflug über die Highways donnerte –, die sich genauso kopflos und panisch benahmen wie die Woge der Zivilisten.
    Das Telefon-GPS – das Nick schon vor langer Zeit Betty getauft hatte – musste die Route immer wieder neu berechnen, und so führte ihn die erotische Stimme Bettys in seinem Ohr auf Nebenstraßen
durch Claremont und Glendora, auf leeren Fahrradwegen durch Monrovia und Arcadia und über den Campus und die Fußballfelder des Citrus College. Der größte Teil der Kämpfe fand anscheinend links von seiner Strecke statt. Auf den Gehsteigen lief das Moped besser als auf Straßen.
    Mit Ausnahme von Flugzeugen war vom Anglomilitär noch nichts zu sehen, als hinter ihm im heller werdenden Osten allmählich die Sterne verschwanden und die Vögel ihren üblichen Morgenlärm begannen. In Glen Avon und im Süden von Ontario hatte er genug von den Gefechten im Tal erkennen können, um sicher zu sein, dass alle möglichen Gruppierungen daran beteiligt waren: paramilitärische Verbände der Aryan Brotherhood, Motorradgangs, vietnamesische und chinesische Banden aus dem Westen und Norden, Mulhollandsöldner in gepanzerten Jeeps und Tausende von Randalierern aus dem südlichen Zentrum von L. A.
    Die Banden terrorisierten und plünderten die letzten Flüchtlinge, aber für Nick bestand kein Zweifel, dass sie einfach nur alles vom Ventura Freeway und Santa Ana Freeway niederbrennen wollten. Anscheinend waren ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt.
    Nick hatte zwei Flaschen Wasser und so viele Energieriegel mitgenommen, wie in seinen Taschen Platz hatten. Kauend und trinkend steuerte er in Richtung Westen. Als er sich San Marino näherte, waren die Scharen von Fliehenden verschwunden. Nur auf Hauptstraßen und den Autobahnzufahrten zeigten Polizei und Anglomilitär Präsenz. Als Nick in der Nähe der Huntington Botanical Gardens nach Bettys Anweisungen auf Fahrradwegen und Seitenstraßen parallel zum California Boulevard durch die vollkommen dunklen, offenbar stromlosen Reichenviertel fuhr, beglückwünschte er sich dazu, dass er das Schlimmste überstanden hatte.
    Plötzlich krachten mehrere Schüsse durch das erste Grau der Morgendämmerung. Nick spürte etwas wie einen Biss in der linken
Wade, dann killte eine weitere Kugel den batteriebetriebenen Motor des Mopeds.
    Nick ließ das kleine Ding zur Seite kippen und rollte sich zu einer Reihe von Mülltonnen am Randstein, während erneut Schüsse aufpeitschten. Auf allen vieren kroch er in eine dunkle Gasse und lief einen halben Block weit. Er wusste, dass er eine Blutspur hinter sich herzog. Hinter einer anderen Mülltonne kauernd untersuchte er die Verletzung.
    Die Kugel hatte viel Haut und etwas Fleisch weggerissen, aber der Schaden am Muskel war gering. Doch es schmerzte wie die Hölle. Hastig zerrte Nick das Hosenbein hoch, um die Wunde mit einem sauberen Taschentuch zu verbinden. Mit der Glock in der Hand wartete er. Er konnte nur hoffen, dass die Schüsse eher zufällig gefallen waren. Oder vielleicht hatten es die Angreifer auf das Moped abgesehen und verschwanden, sobald sie erkannten, dass sie die kleine Maschine zerstört hatten.
    Er hatte kein Glück. Sie nahmen die Verfolgung auf.
    Sie waren zu dritt. Ein großer, stumpfsinnig wirkender Kerl, den Nick im Stillen als Verteidiger bezeichnete, ein älterer, magerer Typ mit Gewehr, der für Nick der Spielmacher war, weil er buchstäblich das Heft in der Hand hatte, und ein Teenager mit Schmalzhaaren, den Nick Billy nannte, weil er ihn an die von dem jungen Dennis Hopper gespielte Figur Billy Clanton aus dem Western Zwei rechnen ab von 1957 erinnerte.
    Durch Vorgärten humpelte Nick Richtung Süden und duckte sich von Baum zu Baum. Die drei Angreifer blieben ihm auf den Fersen. Alle drei feuerten auf ihn, als er im Zickzack über die Orlando Road preschte und über einen niedrigen Zaun sprang,

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