Flehende Leidenschaft
Dragonerkompanien.
»Glauben Sie bloß nicht, Sie würden so leicht davonkommen, Ravensby«, fauchte er, als sie die Pferde inmitten des Feldes zügelten, und griff automatisch nach seinem Schwert.
»Aber ich bin bereits davongekommen, Godfrey«, sagte Johnnie mit ausdrucksloser Stimme, »angesichts Ihrer gegenwärtigen Situation.«
»Eine vorübergehende Notlage, mehr nicht«, erwiderte Elizabeths Vater. »So kurzlebig wie der naive Patriotismus ihres schottischen Parlaments.«
»Wenigstens sind wir noch zur Naivität fähig, während England nur Tücke und Niedertracht kennt. Und nun«, fügte Johnnie rasch hinzu, da es ihm widerstrebte, mit einem Feind noch länger Beleidigungen auszutauschen, »gebe ich Lady Graham in Ihre Obhut zurück.«
Erst jetzt musterte Godfrey das bleiche Gesicht seiner Tochter. »Hat er dich schlecht behandelt?«
»Nein, es ist mir sehr gut gegangen«, entgegnete sie.
Irgend etwas in ihrem Tonfall weckte sein Mißtrauen. »Du bringst doch keinen Carre-Bastard nach Hause?«
»Vergessen Sie Ihre Manieren nicht, Godfrey«, mahnte Johnnie brüsk.
»Mit meiner Tochter spreche ich so, wie’s mir beliebt. Haben Sie’s mit ihr getrieben, Ravensby, so wie mit allen Frauen?«
»Sie verletzen Lady Graham. Entschuldigen Sie sich bei ihr – oder büßen Sie für Ihre Rüpeleien.«
»Sie wollen mich büßen lassen, Sie arroganter Kerl?« Trotz seiner Jahre genoß Harold Godfrey immer noch den Ruf eines ausgezeichneten Schwertfechters.
»Allerdings«, bestätigte Johnnie, der seine Kampfkraft an der Seite des Vaters und auf dem Kontinent erprobt hatte. »Und diesmal werde ich Sie töten.«
»Ah …«, rief Godfrey gedehnt. »Welch ein galanter Ritter erklärt sich hier bereit, deine Ehre zu verteidigen, meine tugendhafte Tochter. Am besten sperre ich dich für ein paar Monate ein. Dann werden wir sehen, ob er einen besonderen Grund hat, so wacker für dich einzutreten.«
Eigentlich hatte Johnnie geplant, den Geiselaustausch möglichst schnell zu erledigen, ohne längeren Wortwechsel. Aber das Verhalten des Engländers brachte ihn in Wut. »Es überrascht mich, daß Sie überhaupt wissen, was Galanterie ist. Nun, welche Waffen bevorzugen Sie?«
»Das reicht jetzt!« mischte sich Elizabeth erbost ein. »Vielleicht könntet ihr auf dieses alberne männliche Imponiergehabe verzichten und die Sache zu Ende bringen. Und wenn du nur ein einziges Mal mit dem Finger auf mich zeigst, Vater, wirst du niemals an mein Geld herankommen. Außerdem lasse ich dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Redmond, mein treuer Beschützer, hat von Hotchane eine entsprechende Order erhalten – falls du mir ein Leid antust.«
»Hören Sie auf die Lady, Godfrey«, rief Robbie belustigt. »Offensichtlich ist sie Herrin der Lage, auch ohne Ihren vielgerühmten Schwertarm.«
»Ist dieser Redmond so tüchtig?« fragte Johnnie.
»Versuchen Sie lieber nicht, das herauszufinden, Ravensby«, konterte Elizabeth kühl.
»Wie Sie wünschen, Lady Graham.« Höflich verneigte er sich. »Ihr Diener, Ma’am …« Dann wandte er sich zu Godfrey, dessen Kampfgeist von Hotchanes posthumer Drohung merklich gedämpft worden war. »Wenn Sie einverstanden sind, werde ich mich jetzt mit meinem Bruder entfernen.«
Seelenruhig wickelte Robbie seine Zügel von Godfreys Sattelknauf und lenkte sein Pferd zu Johnnie. Dann warteten die Ravensbys lange genug, um sich zu vergewissern, daß die Engländer keinen Angriff planten. Als sie die Heimreise antraten, brach die Sonne durch die Wolken.
9
Drei Tage und drei Nächte lang wurde Robbies Rückkehr gefeiert. Das Fest hätte noch länger gedauert, wäre es nicht von einem Boten unterbrochen worden, der die Ankunft eines überfälligen Handelsschiffs aus Makao meldete. Nun ankerte die Raven vor Berwick, beladen mit Luxusgütern aus dem Osten.
»Deine Heimkehr hat uns Glück gebracht, Robbie!« rief Johnnie und richtete sich in seinem geschnitzten Lehnstuhl am Kopfende der langen Tafel auf. Gläser und halbleere Flaschen übersäten die Tischplatte aus poliertem Kirschholz. Dramatisch prostete er seinem Bruder zu, dann bedeutete er einem Lakaien, noch eine Weinflasche zu bringen. »Endlich ist Robbie wieder da, der gottverdammte Godfrey leckt in Harbottle Castle seine Wunden, England ärgert sich über die Unsummen, die sein Heer kostet, und die Raven ist heimgekehrt. Also ist die Welt ausnahmsweise mal in Ordnung.«
»Darauf trinke ich«, lallte jemand am anderen Ende der
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