Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
Obwohl er Ginsberg nicht besonders gut leiden konnte, zweifelte er inzwischen kein bisschen mehr an dessen Fähigkeiten. Der Mann war ein absoluter Spezialist, dachte Peter, und er war mit allen Wassern gewaschen.
„Ich glaube nicht, dass Miss Hagen vergessen hat, den Akku ihres Mobiltelefons zu laden, Peter. Dafür ist sie eindeutig zu intelligent. Ein solcher Fehler passiert vielleicht einem bekifften Fluchtwagenfahrer in der Bronx, aber mit Sicherheit nicht einer Frau, die es ganze sechs Monate lang geschafft hat, sämtliche Bundesbehörden an der Nase herumzuführen, ohne dabei geschnappt zu werden.“
Ginsberg machte eine kurze Pause. Sein Blick wanderte wieder zum Bildschirm des Laptops, auf dem inzwischen ein stark vergrößertes Satellitenbild jenes Landstrichs eingeblendet war, aus dem sie das letzte Lebenszeichen von Claire empfangen hatten.
Peter konnte sehen, dass nur ein einziger Ort in dieser Region verzeichnet war. Ein Ort mit dem idyllischen Namen „Plain Rock“.
„Vielmehr glaube ich, dass Miss Hagen gezielt in dieser Stadt angehalten hat. Irgendein Ziel muss ihre Reise ja haben. Anfangs habe ich geglaubt, dass sie sich vielleicht nach Mexiko absetzen will. Aber wenn das ihr Plan gewesen wäre, hätte sie die Grenze schon früher passieren können. Bei Albuquerque beispielsweise oder in Green Leafes. Das hat sie aber nicht getan. Stattdessen ist sie immer weiter nach Westen gefahren. Es kann daher gut sein, dass sie sich mit jemandem trifft. Vielleicht mit einem Komplizen? Und genauso gut kann es sein, dass das Treffen in diesem gottverdammten Nest namens Plain Rock stattfindet. Vielleicht will sie dort auch nur einfach untertauchen, wer weiß?“
Peter ließ die Worte einen Augenblick lang auf sich wirken, bevor er seine erste Frage stellte:
„Was sollen wir Ihrer Meinung nach machen?“
Er wusste selbst, dass es eine dumme und vielleicht auch törichte Frage war. Doch in diesem Augenblick war es die einzige, die ihm überhaupt einfiel. Außerdem, dachte Peter, war es die einzige Frage, auf die es wirklich ankam.
Was sollen wir machen?
„Wir werden ebenfalls nach Plain Rock fahren, Peter. Wir werden uns dort ein bisschen umsehen und versuchen, Miss Hagen ausfindig zu machen. Diese Stadt ist winzig und hat weniger Einwohner als ein Mietshaus in Brooklyn. So schwer sollte das nicht sein, denke ich.“
„Und wie sollen wir das Ihrer Meinung nach machen?“, fragte Peter, „sollen wir etwa einen Durchsuchungsbefehl für die gesamte Stadt erwirken?“
Peter wusste sofort, dass es ihm nicht gelungen war, seinen Ärger über die Situation vor Ginsberg zu verbergen. Doch in diesem Augenblick war ihm das auch egal.
Immerhin, dachte er, war er es inzwischen leid, sich von diesem Arschloch bei jeder noch so kleinen Gelegenheit vorführen zu lassen. Klar, dachte er weiter, formal gesehen, war Ginsberg sein Vorgesetzter u nd er musste seine Anweisungen befolgen. Doch wenn man sämtliche Formalitäten beiseitelegte, dann waren sie immerhin so etwas wie Partner. Und als solche sollten sie besser am gleichen Strang ziehen, anstatt sich, der typischen Geheimniskrämerei ihrer jeweiligen Behörden zu verlieren.
„Wir brauchen keinen Durchsuchungsbefeh l, Peter“, sagte Ginsberg schließlich, so als hätte er Peters Ärger nicht vernommen, „wir haben etwas viel Besseres.“
Noch ehe Peter fragen konnte, um was es sich dabei handelte, nahm Ginsberg erneut den Laptop zur Hand. Er schloss das offene Programm und rief gleich darauf ein anderes auf. Die Anzeige des Programmes war kreisrund und mit einem Koordinatennetz versehen – wie bei einem Radar oder Echolot.
Noch während Peter sich fragte , wofür das gut war, klappte Ginsberg eine kleine Antenne an der Seite des Laptops auf. Sie war ungefähr so lang wie ein Kugelschreiber und auch genauso dick. Beinahe im gleichen Augenblick erschienen zwei grün leuchtende Punkte in der Mitte des Koordinatennetzes auf dem Bildschirm.
„Funktioniert einwandfrei“ , sagte Ginsberg. Seine Sorgenfalten glätteten sich und ein Grinsen umspielte plötzlich wieder seine Mundwinkel. Peter war in seinem Leben noch nie einer Person begegnet, deren Gefühlswelt derart offen zutage lag wie die von Ginsberg. Jede Emotion spiegelte sich sofort in seinem Gesichtsausdruck wider – wie bei einem Hund, dachte Peter, der mit dem Schwanz wedelte.
„Was ist das?“, fragte Peter schließlich und zeigte auf den Laptop.
„Ein Programm zur Ortung von SIM-Karten“,
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