Fluch der 100 Pforten
mit einem Blick auf Henry.
Roland zuckte nur die Schultern.
Henry hatte die Eimer hinter dem Tisch zunächst gar nicht gesehen. Er hatte keine Ahnung, wie viele insgesamt dort stehen mochten. Jedenfalls holte Roland zwei hervor. Sie waren zerbeult und rostig, und Roland stellte sie beide auf den Tisch. In dem einen befand sich Erde, in dem anderen Wasser.
Unter leisem Gesang schöpfte Roland etwas Wasser mit seinen Händen. Dann wandte er sich dem Türrahmen aus Ästen zu und ließ das Wasser über den Türsturz rinnen. Er füllte seine Hände erneut und rieb das Wasser erst über den Ast auf der einen, dann über den an der anderen Seite. Als er damit fertig war, schöpfte er mit seinen Händen Erde aus dem zweiten Eimer und nickte Frank zu.
»Dreh sie um«, sagte er.
Frank konnte Henry und Monmouth nicht herumdrehen, nicht solange sie Seite an Seite im Eingang knieten. Daher zog er sie beide in den Raum hinein, damit sie sich hinstellen konnten. Dankbar richtete sich Henry auf. Seine Zehen begannen zu pochen, als das Blut wieder in sie hineinströmte. Dann wandten sie beide Roland den Rücken zu und betrachteten die aus Lehm geformten Figuren um den Eingang herum. Genau in der Mitte erkannte Henry den Mann von den Siegeln auf seinen Briefen und von dem Grab in Badon Hill wieder. Hier waren sein Bart und seine Augen und die Ranken nur sehr ungenau aus Lehm geformt. Trotzdem wirkte das Gesicht noch immer beunruhigend.
»Gut«, sagte Roland. »Nun führt sie rückwärts heran. Loam, kratz die Tür sauber, sobald wir weg sind.«
Jemand zerrte an Henrys Rucksack. Eine andere Hand fasste ihn am Arm. Er wurde an der einen Seite um den Tisch herumgeführt, Monmouth an der anderen.
Dann musste Monmouth stehen bleiben, während Henry weitergeführt wurde.
Henry konnte sehen, dass Loam Monmouth gut festhielt und darauf achtete, dass er den Kopf nicht drehte.
Rücklings stolperte er in einen Geruch nach Wurzeln und Kompost. Schwärzeste Finsternis umgab ihn, durch die eine warme unterirdische Brise wehte. Seine Gedanken entglitten ihm, zurück nach Kansas, hinter die Scheune. Er beobachtete, wie das Unwetter näher kam. Löwenzahnblüten gingen überall um ihn herum auf. Er sah ihr Feuer und lauschte. Dann war er in Badon Hill, roch Bäume und Moos und herbe Seeluft. Und er stürzte von einem Gebäude in Byzanthamum.
Henry öffnete die Augen. Irgendwo hinter ihm flackerte Licht. Er blinzelte, konnte aber nichts sehen. Darius befand sich in dieser Welt und wollte dorthin, wo auch er versuchte hinzugelangen. Er legte seine Hand auf seinen Bauch. Sogar durch sein Hemd konnte er die zusammengewachsenen Schnitte fühlen. Ihm war nicht gerade danach, Darius wiederzusehen.
»Roland?«, fragte eine Stimme. »Und du, dicker Franklin? Was macht ihr da? Wer sind diese beiden?«
»Das sind grüne Bettelsöhne, alle beide«, antwortete Frank. »Wir haben sie hierher gebracht, weil sie deine Hilfe benötigen.«
Roland räusperte sich. »Das Zentralkomitee muss zusammentreten. Ich wusste nicht, was ich mit ihnen machen soll.«
Eine harte, ätzende Stimme schrillte Henry in den Ohren. »Wer bist du, Roland, dass du das Komitee einberufen willst?«
Und dann eine andere. »Seit wann berufen die Provinzler überhaupt irgendwas ein?«
»Meine Herren, Braithwat und Radulf, Sirs«, sagte Roland schnell, »ich bitte um Vergebung, aber es erging die Nachricht …«
»Seit der bislang unbekannte siebte Sohn Mordechais erschienen ist und ihm ein Anschlag der Finsternis bevorsteht«, meldete sich der dicke Frank lautstark zu Wort. »Nimiane von Endor, die einst schon bestattet war, sitzt auf dem Thron des Carnassus.«
»Stimmt«, sagte die erste Stimme. »Wir haben davon gehört. Aber sie sucht keinerlei Händel mit uns. Und dieser Junge da, der Kleine … über den ist doch eine Verlautbarung herausgegeben worden, nicht wahr? Ist er nicht das Fiepende Kind, das dieses alte Übel aufgespürt, geweckt und zu Tage hat treten lassen, bevor er es entfesselt hat? Setzt sie irgendwo in den unteren Sphären fest. Alle beide. Wir werden uns zu gegebener Zeit mit ihnen befassen. Für das Ende der Woche ist ein Treffen des Komitees vorgesehen.«
Von allen Seiten griffen Hände nach Henry. Er versuchte sie abzuschütteln, aber seltsame Worte drangen an seine Ohren und seine Beine erlahmten. Er sackte zusammen, doch bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte, schoben sich kleine Schultern unter seine Arme. Er wurde getragen. Zur Hälfte
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