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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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Zugeständnis an die Sicherheit, schloss er die Augen, wandte seinen Kopf zur Seite und zog beide Abzüge.
    Es war ein langer Tag gewesen.
    Frank spürte, dass ihn Wespen auf den Wangenknochen und ins Ohr stachen. Vielleicht auch keine Wespen. Sondern eher Querschläger.
    Der Rückstoß traf ihn unvermitelt. Und dann brach die alte Leiter unter ihm zusammen.
    Ich muss die Hülsen herausholen, überlegte er, während er fiel. Und dann landete er auf dem Rücken im Gras. Seine Beine waren in die Leiter verhakt. Seine Füße staken im Blumenbeet neben der Tür. Das Gewehr lag auf seinem Bauch.
    »Autsch«, sagte er leise.
    Er warf das Gewehr ins Gras und blieb einen Moment liegen. Dann hob er den Arm und befühlte seine Wange. Die Kugel steckte unmittelbar unter der Haut auf dem Knochen. Frank tastete so lange herum, bis er sie zwischen Daumen und Zeigefinger zu fassen kriegte. Dann, mit einem kurzen Schmerzenslaut, drückte er sie heraus und warf sie in die Blumen.
    In seinem Ohr stak zwar keine Kugel, dafür wies es aber am oberen Rand ein kreisrundes Loch auf. Holzspäne und Farbpartikel hingen in seinem Haar, aber darüber machte Frank sich keine Gedanken. Er lag einfach da, spürte, wie ihm die Knochen wehtaten und sein Gesicht brannte und lauschte auf das Dröhnen in seinen Ohren.

    »Frank?«, rief Dotty.
    »Keine Sorge«, rief Frank zurück. »Komme gleich rein.«
    Einen Moment lang sah er zu, wie die schweren Wolken über den Himmel glitten. Dann zog er seine Beine aus den Leitersprossen, rollte sich zur Seite, rappelte sich hoch und betrachtete die kleine, stille Stadt Henry in Kansas. Er betrachtete sie so, wie eine müde Fliege, die in der Küche eingesperrt ist, das Fliegengitter ansieht. Vor langer, langer Zeit hatte er sich daran die Flügel zerrissen und sich für ein Leben im Inneren des Hauses entschieden. Was auch nicht schlecht gewesen war. Dots war ja auch dort gewesen.
    Frank hatte Hunger. Den Vormittag hatte er damit verbracht, im ganzen Haus nach Großvaters Schlüssel zu suchen. Er hatte Matratzen umgedreht, Schuhkartons ausgeleert, ein Sparschwein zertrümmert, Lampen und Bücher und Regale und Puppen zur Seite geschoben. Während Dotty mit Anastasia und Penelope zu Mittag aß, hatte er die Schlafzimmerwand einzureißen versucht und der Mörtelstaub war durch das gesamte Haus gedrungen. Er hatte immer noch Gipskörnchen zwischen den Zähnen.
    Nun wandte er sich wieder dem Haus zu und sah zu Großvaters Fenster hinauf. Es war jetzt so trüb, dass man es für ein Bad hätte verwenden können. Aber immerhin war die Blende zersplittert und ein Stück Wandverkleidung war herausgerissen und an einer Ecke abgebrochen. Das verschaffte ihm eine gewisse Zufriedenheit. Selbst wenn er sein Ziel nicht erreicht hatte – zumindest hatte er ein bisschen Schaden angerichtet. Und sich wehgetan. Das war wohl der Preis für seine Fehler.

    Frank humpelte zur Haustür. Er wusste nicht, wie viel Uhr es war. Die Sonne stand zwar noch nicht tief, aber sie sank schon. Es musste nach dem Abendessen sein. Blake war zurück, saß im Gras und sah zu, wie Frank die Stufen zur Haustür hinaufging.
    »Probier du es doch«, meinte Frank. »Ich muss mich erst mal ein bisschen hinsetzen.«
    Er öffnete die Tür und trat ins Haus.
    »Dad!«, schrie Anastasia. Er war weggegangen, als sie in der Küche gesessen hatten. Jetzt waren sie im Esszimmer. »Dad! Der Raggant ist wieder da und hat Penny gebissen. Er blutet und er ist ganz wild.«
    Frank humpelte ins Esszimmer. Der Raggant stand mit gespreizten Flügeln und aufgerichtetem Schwanz auf dem Tisch. Er hatte den rechten Hinterlauf angezogen und auf seinem Schenkel prangte ein großes dunkles Mal. Dotty sah das Blut in Franks Gesicht und zog die Augenbrauen in die Höhe. Sie drückte gerade Penny ein Tuch auf die Hand.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Frank.
    »Er hat sich hinten an der Hauswand durch die Katzentür herein gezwängt«, sagte Dotty. »Und den Küchenboden voll geblutet. Ich denke, er ist gebissen worden. Von einem Hund oder so. Vielleicht auch von einem Kojoten.«
    »Penny wollte ihn auf den Arm nehmen«, sagte Anastasia. »Und da hat er nach ihr geschnappt.«
    »Ist ja nicht so schlimm«, meinte Penny. »Ich denke, er wollte lieber zu Henry.«
    »Und er ist gebissen worden«, ergänzte Anastasia noch einmal.

    Dotty überließ Penny sich selbst und ging um den Tisch herum zu Frank. Der Raggant reckte sich und fauchte sie an wie eine ärgerliche Gans. Seine

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