Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
von England."
Die beiden Offiziere tauschten einen Blick aus. Zwar mochten sie sich ganz und gar nicht, aber sie respektierten gegenseitig ihre seemännische Kompetenz. Nicht nur das: In beider Gesichter war deutlich die Frage zu lesen: Was habt Ihr wirklich vor, Sire?
Nun hätte der Lord niemals zugeben können, was sozusagen sein Hauptnebengrund war: Er würde mit seinem Schiff auf dieser Route zwangsläufig in die Nähe der Kanalinseln kommen und hatte den begründeten Verdacht, dass sich dort irgendwo das Piratennest von Jeannet befand. Wenn es überhaupt eine Chance gab, sich auf See zufällig zu begegnen, dann nur auf dieser Route...
Aber er zog es vor, den fast genauso geheimen Grund vorzutäuschen:
"Um es noch deutlicher zu sagen: In Vigo haben wir einen englischen Spion, meine Herren. Jetzt verstanden?"
"Ich verstehe nicht...", entfuhr es Naismith dennoch, aber er winkte sogleich ab und korrigerte sich selber: "Ich meine, zwar verstehe ich, dass wir in Vigo einen Spion zu treffen gedenken, aber hat DAS wirklich etwas mit der Prinzessin zu tun?"
"Selbstverständlich nicht", half ihm der Lord auf die Sprünge. "Die Lage ist doch klar: Spanien hütet sein Geheimnis der Atlantikroute, über die man die Neue Welt erreichen kann. Außerdem wissen wir Engländer noch nicht einmal, wie es denn nun in der sogenannten Neuen Welt aussieht. Das heißt, keiner von uns hat jemals eine Beschreibung davon, geschweige denn eine Seekarte zu Gesicht bekommen."
"Aber dieses Wissen würde uns doch nur dann etwas nutzen, wenn wir heimlich ebenfalls dieser Route folgen würden, trotz der Präsenz der Armada!", gab Kane sogleich zu bedenken.
Wenigstens einer hat es begriffen, dachte Lord Cooper. Laut sagte er:
"Die englische Krone muss es einfach erfahren. Ich war aus diesem Grund schon mehrmals in Vigo - auch mit der SWORD FISH, erinnert Euch! Nur wusstet Ihr nicht den wahren Grund. Jetzt habe ich das Versäumte sozusagen nachgeholt und Euch darüber informiert. Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, um in Vigo an Land zu gehen. Bisher gelang es mir nicht, neue Erkenntnisse mit nach Hause zu bringen, aber irgendwann und vielleicht schon diesmal...?"
"Und was wird die Krone von England mit dem neuen Wissen anfangen?", stellte Kane die entscheidende Frage.
"Vorerst selbstverständlich gar nichts. Aber England wird nicht mehr länger im Dunkeln tappen. Eines Tages könnte uns dieses Wissen von großem Nutzen sein - und wir werden vor allem niemanden mehr darum betteln müssen, uns die Gnade einer Auskunft zu gewähren."
"Gut formuliert, Mylord!", lobte ihn Naismith. Er zeigte sich auf einmal regelrecht begeistert: "Also, auf nach Vigo!"
"Und was sagen wir der Prinzessin?", erkundigte sich Kane.
"Sie wird vollstes Verständnis haben, denn sie ist von Vigo weg gefahren, in Richtung Neue Welt. Was daraus wurde, wissen wir ja. Aber sie hat ihre eigenen von ihr entsprechend bestochenen Verbindungsleute in Vigo, ohne die sie schon gar nicht an Bord eines Schiffes gekommen wäre."
"Erwähnte sie das tatsächlich einmal?", wunderte sich Naismith.
"Nein, mit keinem Wort. Aber ich werde sie unterwegs darauf ansprechen. Sie muss ihre Verbindungen in Vigo spielen lassen, um den Weg nach Madrid zu bereiten. In Bilbao hätte sie diese Verbindungen erst gar nicht!"
"Ach, jetzt verstehe ich!", behauptete Naismith: "Auf diese Weise wird König Philipp rechtzeitig erfahren, dass seine Tochter kommen wird und die Verbindungsleute, die von der Prinzessin bestochen wurden, haben eine Gelegenheit, ihre Treue zur Krone zu beweisen, ehe der König doch noch auf die Idee kommt, sie wegen ihrer Fluchthilfe an den Galgen zu liefern. Ein sehr weiser Entschluss."
"Finde ich auch!", schloss sich John Kane an.
Wenn ihr wüsstet, dachte der Lord indessen. Ach, Jeannet, wo steckst du? Werden wir uns unterwegs tatsächlich begegnen? Es gab nichts, was er sich sehnlicher wünschte.
Es waren anschließend noch einige weitere Details zu klären, auch was den Proviant für unterwegs betraf und dann gingen die beiden Offiziere an die Arbeit. Alle an Bord würden aus ihrem Munde erfahren, dass die Fahrt nach Vigo gehen würden. Allerdings würden die beiden Offiziere das nicht mit der Wahrheit begründen, sondern beiläufig erwähnen, dass dies dem Wunsch der Prinzessin entspräche.
Dann lag es nur noch an ihm, diesen Wunsch auch wirklich in der Prinzessin zu erzeugen.
Bis zur Ankunft der Prinzessin waren alle an Bord vollauf beschäftigt, der Lord
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