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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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entgegen. Quellen hatte plötzlich ein feuchtes Stück Teig in der Hand.
    Seine Hand hob sich zitternd zu den Lippen. Er spürte Judiths Hüfte warm neben der seinen. Nimm und iß. Galuber lag steif in der Grube, von Ekstase ergriffen.
    Quellen aß.
    Er kaute hastig und unterdrückte jedes Zögern. Die besondere Eigenschaft der unverdaulichen Substanz war es, daß man sie genießen konnte, wenn sie schon einmal mit Verdauungssäften gemischt war. Galuber hatte sie also für die anderen aufbereitet. Quellen schluckte. Merkwürdigerweise fühlte er sich nicht einmal abgestoßen. Er hatte schon Ameisen, rohe Schnecken, Seeigel und andere exotische Delikatessen genossen und dabei nicht einmal die Chance eines geistigen Erlebnisses zugesichert bekommen. Weshalb sollte er also zögern?
    Die anderen Teilnehmer weinten vor Freude. Tränen glitzerten auf Judiths Farbschicht. Quellen hatte immer noch eine bemerkenswert objektive Meinung über das Universum. Er hatte an der mystischen Vereinigung nicht teilgenommen, obwohl er den Ritus beachtet hatte. So wartete er geduldig, bis die anderen sich von ihrer Ekstase erholt hatten.
    »Willst du die nächste Runde zelebrieren?« flüsterte Judith ihm zu.
    »Auf keinen Fall.«
    »Joe ...«
    »Bitte. Ich bin hergekommen, nicht wahr? Ich nehme an dem Fest teil. Aber ich will nicht der Hauptdarsteller sein.«
    »Es ist üblich, daß Gruppenfremde ...«
    »Ich weiß. Aber ohne mich. Ich überlasse die Ehre gern einem anderen.«
    Sie sah ihn vorwurfsvoll an. Quellen erkannte, daß er versagt hatte. Der heutige Abend sollte wohl eine Art Test sein, und er hatte ihn fast bestanden. Fast ...
    Brose Cashdan hatte eine zweite Schüssel mit der zeremoniellen Teigmasse geholt. Wortlos nahm Jennifer Galuber die Schüssel und begann sich vollzustopfen. Der Arzt, von der Anstrengung immer noch ganz erschöpft, saß in sich zusammengesunken da und paßte kaum auf. Die Zeremonie wiederholte sich. Quellen nahm wie beim erstenmal teil, ohne etwas zu spüren.
    Anschließend näherte sich Cashdan Quellen und fragte leise: »Möchten Sie die nächste Runde für uns feiern?«
    »Tut mir leid«, sagte Quellen. »Es geht wirklich nicht. Ich muß mich bald verabschieden.«
    »Wie bedauerlich. Wir hatten gehofft, daß Sie ganz teilnehmen würden.« Cashdan lächelte verträumt und schob die Schale einem anderen hin.
    Quellen packte Judith am Handgelenk und zog sie auf die Seite. »Komm mit mir heim«, flüsterte er drängend.
    »Wie kannst du jetzt an so etwas denken?«
    »Du bist schließlich nicht sehr keusch angezogen. Und du hast zwei Runden erlebt. Willst du jetzt mitkommen?«
    »Nein«, sagte sie fest.
    »Und wenn ich die nächste Runde noch abwarte?«
    »Nein. Auch dann nicht. Du wirst die Zeremonie schon selbst anführen müssen – und es ernst meinen. Sonst könnte ich später keine Gefühle für dich aufbringen. Ehrlich, Joe, wie kann ich mich einem Mann hingeben, mit dem mich keine geistige Verwandtschaft verbindet?«
    Mit erregter Stimme erwidert er: »Tu mir das nicht an, Judith. Du mußt fair bleiben. Gehen wir jetzt.«
    Statt einer Antwort drehte sie sich um und schloß sich wieder der Gruppe an. Die dritte Runde sollte beginnen. Cashdan warf Quellen einen aufmunternden Blick zu, doch der schüttelte den Kopf und verließ schnell den Saal. Draußen warf er noch einen Blick durch die Glaswände und sah Judith mit zurückgeworfenem Kopf und verzückt geöffneten Lippen. Auch die Galubers waren in Ekstase. Das Bild der fetten Jennifer Galuber brannte sich unauslöschlich in Quellens Gehirn. Er floh.
    Er war kurz nach Mitternacht daheim, aber sein Apartment bot ihm keinerlei Trost. Er mußte fort. Schnell trat er in das Stati-Feld und ließ sich nach Afrika bringen.
    Dort war der Morgen heraufgezogen. Ein leichter Sprühregen fiel, aber die Sonne schimmerte golden durch den grauen Schleier. Die Krokodile schwammen wie immer träge in den Fluten. Ein Vogel schimpfte. Die Zweige waren schwer von der Nässe und beugten sich zu der fetten schwarzen Erde herunter. Quellen wollte sich von dem Frieden einfangen lassen. Er streifte die Schuhe ab und ging ans Flußufer hinunter. Der Schlamm schob sich durch seine Zehen. Ein kleines Insekt stach ihn in die Wade. Ein Frosch sprang ins Wasser, und auf der dunklen Fläche entstanden Ringe, die sich immer weiter ausbreiteten. Ein Krokodil öffnete faul die vorstehenden Augen. Die schwere, süße Luft drang in Quellens Lungen.
    Aber er fand keinen Trost.
    Dieser

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