FOOD CRASH
vielgestaltiger Fruchtfolgen, weniger Maisanbau, Verzicht auf pfluglose Bodenbearbeitung, die ausgewogene Düngung, insbesondere geringe Stickstoffdüngung und -verfügbarkeit, geringe Bestandsdichte und die Sortenwahl.
Schnitzel aus der Tierfabrik
Auf dem Höhepunkt einer der vielen Lebensmittelkrisen der letzten Jahre, dem Dioxinskandal im Januar 2011, wurde in Hannover der neue Landwirtschaftsminister Niedersachsens in sein Amt eingeführt. Seine Vorgängerin, Astrid Grotelüschen, hatte nach nur wenigen Monaten für diesen Wechsel Platz machen müssen, weil der Betrieb ihrer Familie eine Tierhaltungsform praktizierte, die der Bevölkerung nicht zu vermitteln war. Ihr Nachfolger, Gert Lindemann, ist in der Branche kein Unbekannter. Er hatte unter den Ministern Seehofer und Aigner als Staatssekretär dafür gesorgt, dass die Interessen des Bauernverbandes in der Bundespolitik nicht zu kurz kamen. Aigner hatte ihn entlassen und bekam so die Zügel ihrer Agrarpolitik in die Hand. Und nun war der CDU -Mann in dem Land in den Ministerrang aufgerückt, in dem 31 % aller Schweine und 54 % des Geflügels in Deutschland gehalten werden. Noch bei seiner Antrittsrede beeilte er sich zu versichern, es gebe keinen Systemfehler in unseren landwirtschaftlichen Strukturen. Und der Dioxinfall sei kein Argument gegen die Massentierhaltung. Er bezog damit eindeutige Stellung in einer Diskussion, die immer heftiger geführt wird und in der sich starke Extreme gegenüberstehen: Die einen, die finden, es müsse Schluss damit sein, dass Tiere unter industriellen Bedingungen gehalten oder überhaupt gegessen werden. Die anderen, die es für ein Menschenrecht halten, billig Eier, Fleisch und Milch konsumieren zu können, und die eine hohe Produktionsleistung der Tiere als Beweis dafür ansehen, dass es den Tieren gutgeht.
Dass die globalen Ökosysteme rettungslos überfordert wären, wollten wir den Konsum an tierischen Produkten, der heute in den Industrienationen Standard ist, auf alle Bewohner dieser Erde ausdehnen, wurde bereits ausgeführt. Im dritten Kapitel wurde gezeigt, dass unsere exportorientierte Viehwirtschaft, die den Stolz der deutschen Agrarindustrie bildet, leider nur funktioniert, weil wir Millionen Hektar in Südamerika »gepachtet« haben. Es sind Flächen, auf denen einst Urwald oder Grassteppe wuchsen und die jetzt das Eiweißfutter für unser Geflügel, unsere Schweine und Rinder liefern, oder Pflanzen, die nicht in die Tröge unserer Tiere, sondern in die Tanks unserer Fahrzeuge wandern.
Wir haben auch schon davon gesprochen, dass die Viehwirtschaft einen erheblichen Anteil an den Nährstoffüberschüssen produziert, die wir mit fatalen ökologischen Folgen in Flüssen und Seen entsorgen.
Das sind aber nicht die einzigen Gründe, die gegen Herrn Lindemanns Versicherung sprechen, an dem System sei nichts falsch. Ich will nicht die vielen Futtermittelskandale ansprechen. Denn man wird immer argumentieren können, diese Skandale seien letztlich Folge kriminellen Handelns, wovor auch Biobauern nicht sicher seien. Was nicht falsch ist, auch wenn das teure, inputintensive System der industriellen Tierproduktion sicherlich gefährdeter ist als eines, das auf Kreisläufe zwischen Feld und Stall setzt. Es reicht aber, auf die Probleme hinzuweisen, die auch dann auftreten, wenn Gesetz und Ordnung peinlich beachtet werden.
Im Mai 2009 wurde an der TU München das Ergebnis einer Langzeitstudie veröffentlicht, mit der eine alte Streitfrage geklärt werden sollte. Muss man das Glück der Hühner, im Freien herumlaufen zu können, mit einer höheren Keimbelastung der Eier bezahlen? Das war eine naheliegende Frage, weil im Käfig ja viel »kontrolliertere« Bedingungen herrschen als im Freiland und weil eine Henne, die im Auslauf herumrennt, mitunter mit schmutzigen Füßen ihr Nest betritt. Insofern war das eindeutige Ergebnis überraschend: nein! Konventionell und ökologisch erzeugte Eier unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht. Beide sind mit gleich viel oder wenig Keimen besiedelt. Trotzdem gibt einen entscheidenden Unterschied: Konventionelle Eier weisen zu einem signifikant höheren Anteil Keime auf, die gegen Antibiotika resistent sind. [80]
Dies ist nun keine ganz irrelevante Erkenntnis, sondern betrifft eine der größten Sorgen der Humanmedizin unserer Tage: die zunehmende Resistenz von Keimen gegen Antibiotika. An je mehr Stellen unser Organismus mit diesen Stoffen konfrontiert ist, umso schneller werden
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