Fool on the Hill
Vorlesungstag:
Wie durch ein Wunder
Warm und trocken;
Genießt es,
Solange es hält.
Folgender Leitartikel eröffnete die SUPER-ERWEITERTE KOMMENTARSEITE der ›Sun‹:
GESUCHT - EIN (I) KIPPSICHERER DRACHE
Es erscheint angebracht, an diesem ersten Vorlesungstag einige wenige ermutigende Worte an die Adresse derjenigen zu richten, die sich anschicken, ihre Studien in Cornell aufzunehmen. Wir von der ›Sun‹ rühmen uns allerdings von jeher einer unverbrauchten und originellen Denkungsart, und da in der Vergangenheit bereits zigmal jede nur mögliche Art von Ermutigung ausgesprochen worden ist, haben wir dieses Jahr beschlossen, uns damit nicht weiter zu belasten. Außerdem hat eine erst letzte Woche von der ›Sun‹ durchgeführte Umfrage ergeben, daß das eigentliche Kernproblem, das jeder/mann/frau/s Gemüt belastet -Erstsemester eingeschlossen -, mitnichten akademischer Natur ist. Vielmehr betrifft es die am i. Dezember dieses Jahres in Kraft tretende Anhebung des trinkfähigen Alters von neunzehn auf einundzwanzig. Wir fragen uns: Gibt es ein Leben ohne die Wochenend-Bar-Szene? Wird Collegetown überleben? Werden wir, die Masse der Untereinundzwanzigjährigen, ohne ein paar uns nach verbockten Vorprüfungen wieder aufbauende, ordentliche Runden von Zweistöckigen überleben?
Es steht ganz außer Zweifel, daß alkoholmangelbedingte Krisen auftreten werden. Das einzige, was wir diesbezüglich tun können, ist zu versuchen, emotional erschütternde Situationen und Vorfälle nach bestem Vermögen zu vermeiden. Einschlägiges Beispiel: die alljährliche Parade des Grünen Drachen. Wie bereits etablierte Cornellianer wissen werden, handelt es sich dabei um ein Mitte März stattfindendes Ereignis, in dessen Verlauf ein von den Architektur-Erstsemestern konstruierter, riesiger Drache in einem windungsreichen Umzug über den Central Campus gefahren und zuletzt auf dem Arts Quad verbrannt wird. Diese auf Willard Straights Einfall zurückgehende, traditionsreiche Veranstaltung ist seit 1901 jedes Jahr getreulich und fehlerlos durchgeführt worden - bis letztes Frühjahr, als nämlich das überformatige Vieh keine drei Meter nach dem Start in sich zusammenbrach. Schamerfüllt fielen die Architekten daraufhin in die Bars von Collegetown ein, um ihren Kummer zu ertränken. Die Fiebertraum-Taverne, ein beliebter Treff, soll, bis auf den letzten Tropfen leergetrunken, lange vor der Polizeistunde den alkoholischen Offenbarungseid geleistet haben. Der Schnaps tat anscheinend seine Schuldigkeit; es wurden zwar einige Fälle öffentlicher Ruhestörung, aber keine Selbstmorde gemeldet. Die Archis waren einfach zu zu, um daran zu denken, sich in die eine oder andere Schlucht zu stürzen.
Heuer jedoch wird sich ein Rückzug in die Bars als gänzlich unmöglich erweisen. Die gesteigerte Wachsamkeit, mit der Kneipenwirte nach gefälschten Ausweisen fahnden werden, dürfte gescheiterten Architekten und sonstigen verkrachten Existenzen einen beträchtlichen Strich durch die Rechnung machen. Zum Wohle der Allgemeinheit fordert die ›Sun‹ daher alle Betroffenen auf, schon jetzt an den kommenden März zu denken. Was wir brauchen, sind ein paar tatkräftige Frauen und Männer, die einen richtigen Drachen bauen können, einen großen und standfesten Drachen, der erst dann zusammenbricht oder umkippt, wenn er soll. Und da wir schon beim Thema sind: Laßt uns alle fleißig arbeiten, die Vorprüfungen bestehen und unseren Hausarbeiten ein bißchen Orthographie einflößen. Wir von der ›Sun‹ sind sicher, daß uns letzten Endes Cola Light genausogut schmecken wird wie ein Manhattan - wenn wir damit einen Sieg feiern.
III
Montag früh, 8 Uhr 5.
Fujiko schrie auf, als ihr Wecker losrasselte und die erlesene Qual eines Southern-Comfort-Katers sich wie ein Schraubstock um ihren Schädel zusammenzog. Sie tastete im Halbdunkel nach einer Waffe, bekam einen Hockeyschläger zu fassen (ihr Exfreund hatte ihn als Andenken zurückgelassen) und zerlegte die Uhr mit einem einzigen, wohlplazierten Schlag in ihre Bestandteile.
Nachdem sie kraftlos in einen Bademantel gekrochen war und drei Schubladen nach einem Handtuch durchwühlt hatte, trat sie auf den Korridor - und stieß, von der plötzlichen Helligkeit geblendet, erneut einen Schrei aus. Auf der anderen Seite des Ganges schlurfte Z. Z. Top, mit gelber Badehose und extradunkler Schneebrille angetan, gerade aus seinem Zimmer. Er stolperte über ein Exemplar der ›Sun‹, das
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