Forstchen, William
sterben, aber ich habe Zehntausende vor Hispania sterben gesehen. Ich habe einige meiner engsten Freunde in den sicheren Tod geschickt, weil es meine Pflicht und ihre Pflicht war, damit andere überlebten. Deshalb müssen wir das jetzt tun, und wir müssen damit Erfolg haben.«
Hans sah, wie die anderen nickten. »Alexi, du bist der Urheber dieses Plans. Erläutere ihn uns.«
Alexi trat an den Tisch heran und zog unter seinem schweißfleckigen Hemd ein kleingefaltetes Blatt Reispapier hervor. Während er es ausbreitete, gab er den anderen mit einem Wink zu verstehen, sie möchten sich ringsherum versammeln. Sogar Lin rührte sich, und die anderen gaben ihm den Weg frei, damit ihr kurzsichtiger Freund die Karte sehen konnte.
»Es bedeutet den Tod, eine solche Zeichnung zu haben«, gab Ketswana vorsichtig zu bedenken.
Alexi schüttelte den Kopf und lachte. »Das ist zurzeit die geringste meiner Sorgen.«
»Was ist das?«, wollte Manda wissen.
»Ein Plan des Lagers«, antwortete Alexi. »Unser Abschnitt umfasst sechs Unterkunftshütten, jede davon für hundert Personen.« Dabei deutete er auf die Hüttenreihen. »Die Gießerei steht direkt südlich davon, hier …« Er deutete mit dem Zeigefinger darauf. »… und das Dampfmaschinenwerk auf der anderen Seite unserer Unterkünfte, im Norden. Das Lager der Chinarbeiter breitet sich südlich der Gießerei aus.
Wie ihr seht, liegt ein Bahnbetriebshof direkt außerhalb der Mauer im Westen des Lagers. Nebenstrecken führen zu weiteren Fabriken, in denen Gewehre hergestellt werden, zum Luftschiffwerk und zu dieser neuen Fabrik, zu der nur Bantag Zutritt haben.«
Er zog jetzt eine der Strecken nach. »Diese Linie hier führt durch das Tor auf unser Gießereigelände. Die meisten von euch überqueren die Schienen jeden Tag auf dem Weg in die Gießerei und von dort zurück. Mein Plan sieht vor, dass wir einen der Züge entführen, damit bis zur Endstation in der Stadt X’ian fahren und von dort aus fliehen, hoffentlich per Schiff. Ich bin schon ein halbes Dutzend Mal mit Zügen fast bis ans Ende der Strecke gefahren. Ich habe nie gewagt, dabei einen Plan zu zeichnen, mir aber alles eingeprägt. Haben wir erst mal das Lager mit dem Zug verlassen, denke ich, dass wir tatsächlich auch den ganzen Weg schaffen werden.«
Alle anderen schüttelten die Köpfe. Hans stand da und starrte Alexi wortlos an.
»Unmöglich«, seufzte Hans schließlich und zeigte seine Enttäuschung deutlich. Alexi war als Erster mit Fluchtplänen an ihn herangetreten, ehe die Gießerei auch nur halb fertig gestellt war, und Hans hatte gehofft, dass dem Plan gründlichere Überlegungen zugrunde lagen.
»Zunächst mal durchqueren die Züge, die vom Werk abfahren, das Lagertor. Sie müssen dort anhalten und werden von den Mistkerlen durchsucht, ehe diese das Tor öffnen. Dann geht es auf ein Rangiergleis weiter, um Kohle und Wasser aufzunehmen, ehe die Fahrt zur Hauptstrecke führt.«
»Und die Weichen«, mischte sich Lin ein und überraschte alle damit, dass er sich aus seiner Trauer rührte. »Vergesst nicht: Ich bin täglich vor dem Tor. Ein Bantagwachmann ist im Stellwerk postiert. Er ist bewaffnet, und ich denke, er hat auch einen Schlüssel, um die Weiche zu sperren. Falls es nicht gelingt, ihn zu überraschen, wird die Weiche blockiert. Ich denke jedoch nicht, dass ihr es überhaupt zum Tor hinausschafft. Es ist mit einem Gegengewicht gesichert. Die Bantag haben sich überlegt, dass wir möglicherweise so etwas probieren, und sich darauf vorbereitet. Die Wachen brauchen nur das Seil am Gewicht durchzuschneiden, und das Tor ist versperrt, sodass wir im Lager festsitzen. Und das Gleisstück im Lager ist nicht mal lang genug, um richtig zu beschleunigen und das Tor möglicherweise zu durchbrechen.«
Lin schüttelt angewidert den Kopf und wandte sich vom Tisch ab.
»Hören wir uns erst mal den ganzen Vorschlag an«, sagte Hans leise. »Red weiter, Alexi.«
»Wir greifen uns den Zug nicht im Lager. Wir machen es außerhalb.«
Hans wurde munter. Er dachte schon über dieses Problem nach, seit er sich in diesem Albtraum wiederfand. Beim Entwurf der Industrieanlagen hatte er auf die eine oder andere Weise versucht, Schwachstellen einzubauen, die man vielleicht ausnutzen konnte, aber Karga war von irgendjemandem beraten worden, hatte diese Schwachstellen stets entdeckt und sie in letzter Minute geändert.
»Wie?«
»Wir graben einen Tunnel zum Bahnhof.«
»Einen Tunnel?«
»Sieh dir die Karte
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