Franzen, Jonathan
in People und Spin und Entertainment Weekly, nachdem Nameless Lake auf den Markt gekommen und Richard Katz «Kult»
geworden war. Unter den Berühmtheiten, die sich öffentlich für Walnut Surprise
starkmachten und sich als langjährige heimliche Traumatics-Hörer zu erkennen
gaben, waren Michael Stipe und Jeff Tweedy. Richards ungepflegte, gebildete weiße männliche Fans mochten zwar
nicht mehr so jung sein, aber eine ganze Reihe von ihnen waren inzwischen
einflussreiche Redakteure im Kulturressort.
Der Ärger,
den man empfindet, wenn die eigene, unbekannte Lieblingsband plötzlich auf
jedermanns Playlist steht, ließ sich bei Walter mit tausend multiplizieren.
Natürlich war er stolz, dass das neue Album nach Dorothys See benannt war und Richard so viele von den Songs in diesem Haus
geschrieben hatte. Außerdem hatte Richard die Texte zum Glück so gehalten, dass
sich das «du» darin, das Patty war, auf die tote Molly beziehen ließ; das war auch die Sichtweise, die er Interviewern
nahelegte, weil er wusste, dass Walter jede Halbzeile, die je in der Presse über
seinen Freund erschien, las und aufbewahrte. Aber in erster Linie fühlte Walter
sich durch Richards Sternstunde enttäuscht und auch gekränkt. Er sagte, er
verstehe ja, warum Richard ihn so gut wie nie mehr anrufe, er verstehe ja, dass
Richard jetzt viel um die Ohren habe, aber im Grunde verstand er es nicht. Der
wahre Zustand ihrer Freundschaft entpuppte sich als genau so, wie Walter es
stets befürchtet hatte. Selbst wenn Richard ganz am Boden zu sein schien, war
er nie wirklich am Boden. Richard hatte stets seine geheime musikalische
Agenda, eine Agenda, die Walter nicht einschloss, denn er wandte sich letztlich
immer direkt an seine Fans und behielt sein Ziel fest im Blick. Ein paar unbedeutende
Musikjournalisten waren emsig genug, Walter um telefonische Interviews zu
bitten, und an einigen abgelegenen Stellen, die meisten davon im Netz, tauchte
auch sein Name auf, aber in den Interviews, die Walter las, bezeichnete
Richard ihn nur als einen «sehr guten Collegefreund», und keine der großen
Zeitschriften erwähnte ihn je namentlich. Gegen ein bisschen mehr Anerkennung
für all die moralische, intellektuelle und sogar finanzielle Unterstützung, die
er Richard gegeben hatte, hätte Walter nichts einzuwenden gehabt, am tiefsten
aber kränkte es ihn, wie wenig er Richard zu bedeuten schien, wo Richard ihm
doch so viel bedeutete. Und den besten Beweis dafür, wie viel er Richard eben doch bedeutete,
konnte Patty ihm natürlich nicht liefern. Wenn Richard einmal die Zeit fand,
sich telefonisch bei ihm zu melden, vergiftete Walter ihre Gespräche mit seiner
Gekränktheit, sodass Richard nur noch weniger geneigt war, ihn wieder
anzurufen.
Und so kam
es, dass Walter ein Konkurrenzdenken entwickelte. Er hatte sich in dem Glauben
gewiegt, der große Bruder zu sein, aber nun hatte Richard ihm erneut eine
Lektion erteilt. In privaten Dingen - als Schachspieler, Lebensgefährte und
verantwortungsvoller Staatsbürger - mochte Richard ja eine Niete sein, aber in
der Öffentlichkeit wurde er für sein Beharrungsvermögen, seine Aufrichtigkeit,
seine grandiosen neuen Songs geliebt, bewundert und gefeiert. Und auf einmal
hasste Walter das Haus und den Garten und den ganzen Lebenszeit und Energie
fressenden Kleinkram, auf den er hier in Minnesota gesetzt hatte; Patty war
erschrocken, mit wie viel Bitterkeit er seine eigenen Leistungen
heruntermachte. Nur wenige Wochen nachdem Nameless Lake auf den Markt gekommen war, flog er zu seinem
ersten Bewerbungsgespräch mit dem Megamillionär Vin Haven nach Houston, und schon einen Monat später begann er, unter der Woche
in Washington zu arbeiten. Für Patty, wenn nicht auch für Walter selbst, lag es
auf der Hand, dass sein Entschluss, nach Washington zu gehen und die
Waldsängerberg-Stiftung aufzubauen und zu einem ehrgeizigeren, internationalen Spieler
zu werden, vom Konkurrenzgedanken befeuert war. Als Walnut Surprise an einem
Freitagabend im Dezember zusammen mit der Band Wilco im Orpheum auftrat, flog
er nicht einmal rechtzeitig nach St. Paul zurück, um hinzugehen.
Auch Patty
schenkte sich das Konzert. Sie konnte es nicht ertragen, das neue Album zu
hören - kam über die Vergangenheitsform im zweiten Song nicht hinweg -
There was nobody like you
For
me. Nobody
I
live with nobody. Love
Nobody.
You were that body
That
nobody was like
You
were that body
That
body for me
There
was nobody like you
und so
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