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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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damals am College nicht und
noch weniger jetzt.
    «Es ist
bestimmt eigenartig, du zu sein», sagte Walter, als sie an der 34 th Street ausstiegen.
    «Ich habe
keinen anderen Seinszustand, mit dem ich es vergleichen kann.»
    «Ist aber
sicher phantastisch. Schwer zu glauben, dass es dir auf irgendeiner Ebene nicht
doch gefällt.»
    Katz erwog
die Frage aufrichtig. «Es ist eher so, dass ich das Fehlen der Sache schlecht
fände, aber die Sache an sich genauso wenig mag.»
    «Ich
glaube, ich würde sie mögen», sagte Walter.
«Das glaube ich auch.»
    Außerstande,
Walter Ruhm zu gönnen, ging Katz mit ihm den ganzen Weg bis zur
Amtrak-Anzeigentafel, die 45 Minuten Verspätung für den Acela Richtung Süden
auswies.
    «Ich halte
große Stücke auf die Bahn», sagte Walter. «Und muss routinemäßig dafür büßen.»
    «Ich warte
mit dir», sagte Katz.
    «Brauchst
du nicht, brauchst du wirklich nicht.»
    «Doch, und
ich geb dir eine Cola aus. Oder hat Washington dich nun doch zum Trinken
gebracht?»
    «Nein, bin
immer noch abstinent.»
    Für Katz
war die Verspätung des Zugs ein Zeichen, dass das Thema Patty doch noch
angeschnitten werden sollte. Als er es in der Bahnhofsbar zu den
nervenaufreibenden Klängen eines Alanis-Morrisette-Lieds dann tat, wurde
Walters Blick hart und kühl. Er holte Luft, als wollte er sprechen, doch es kam
kein Wort heraus.
    «Muss für
euch ja ein bisschen komisch sein», soufflierte Katz. «Oben das Mädchen und
unten dein Büro.»
    «Ich weiß nicht,
was ich dir sagen soll, Richard. Ich weiß das wirklich nicht.»
    «Kommt ihr
miteinander aus? Macht Patty irgendwas Interessantes?»
    «Sie
arbeitet in einem Fitnesscenter in Georgetown. Zählt das als interessant?»
Walter schüttelte grimmig den Kopf. «Ich lebe jetzt schon sehr lange mit einem
depressiven Menschen zusammen. Ich weiß nicht, warum sie so unglücklich ist,
ich weiß nicht, warum sie da nicht rauskommt. Eine Weile, so um die Zeit, als
wir nach Washington gezogen sind, schien es ihr besser zu gehen. In St. Paul
war sie bei einer Therapeutin gewesen, die ihr eine Art Schreibprojekt
nahegelegt hat. Eine Art persönliche Geschichte oder Lebensjournal, um das sie
ein großes Geheimnis machte. Solange sie daran arbeitete, lief es ganz gut.
Aber die letzten zwei Jahre waren richtig schlecht. Wir hatten ins Auge
gefasst, dass sie sich nach einem Job umsieht, sobald wir in Washington sind,
und so etwas wie eine zweite Karriere beginnt, aber in ihrem Alter und ohne
jede marktfähigen Kenntnisse ist das ganz schön happig. Sie ist sehr klug und
stolz und hat es weder ertragen, abgelehnt zu werden, noch, immerzu Berufsanfängerin
zu sein. Sie versuchte es mit ehrenamtlicher Arbeit, indem sie an Schulen
Nachmittagssportkurse angeboten hat, aber das klappte auch nicht. Schließlich
habe ich sie davon überzeugen können, es mal mit Antidepressiva zu versuchen,
die ihr, glaube ich, auch geholfen hätten, wenn sie denn drangeblieben wäre,
aber sie konnte nicht ausstehen, wie es ihr danach ging, und in der Tat war sie
ziemlich unerträglich, solange sie sie eingenommen hat. Sie war wie auf Meth
und hat das Ganze abgesetzt, noch bevor man den Cocktail überhaupt richtig
dosieren konnte. Und letzten Herbst habe ich sie dann mehr oder weniger
gezwungen, einen Job anzunehmen. Nicht um meinetwillen - ich bin weit
überbezahlt, Jessica ist inzwischen mit der Schule fertig, und Joey ist nicht
mehr auf mich angewiesen, aber sie hatte so viel freie Zeit, das brachte sie
um, das sah ich. Und dann hat sie sich eine Arbeit am Empfangstresen in einem
Fitnesscenter ausgesucht. Ich meine, es ist schon richtig nett da - einer
meiner Aufsichtsräte geht dort hin und mindestens einer unserer wichtigeren
Spender. Aber da sitzt sie nun, meine Frau, einer der klügsten Menschen, die
ich kenne, und liest die Mitgliedskarten von denen ein und wünscht ihnen ein
gutes Training. Dazu hat sie auch noch einen ziemlichen Trainingsspleen
entwickelt. Sie trainiert mindestens eine Stunde täglich, Minimum - sieht dafür
aber auch umwerfend aus. Und dann kommt sie um elf mit
irgendeinem Essen in der Plastiktüte nach Hause, und wenn ich nicht verreist
bin, essen wir zusammen, und sie fragt mich, warum ich noch immer nicht mit
meiner Assistentin schlafe. Ungefähr so wie du eben, nur nicht so explizit.
Nicht so direkt.»
    «Tut mir
leid. Das war mir nicht klar.»
    «Wie auch?
Wer würde denn schon darauf kommen? Jedes Mal sage ich ihr dasselbe, nämlich
dass sie diejenige

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