Franzen, Jonathan
dichtem schwarzem Brusthaar, das aus seinem
halbaufgeknöpften Hemd quoll, eilte herbei, um Jenna den Koffer abzunehmen, ihn
hinten zu verstauen und sie auf dem Beifahrersitz zu platzieren, bevor Joey
überhaupt kapierte, was los war. Das englische Paar schnappte sich die nächsten
beiden Plätze, und Joey fand sich schließlich im hinteren Teil des Wagens
wieder, neben der Mutter und ihrer Tochter, die einen Pferderoman für
Jugendliche las.
«Ich heiße
Felix», sagte der Fahrer in ein unnötiges Mikrophon, «willkommen in der Provinz
Rio Negro bitte schnallen Sie sich an wir
fahren zwei Stunden die Straße wird stellenweise uneben ich habe gekühlte
Getränke für alle die wollen El Triunfo ist abgelegen aber lussuriös und Sie
müssen entschuldigen dass die Straße manchmal uneben ist danke.»
Der
Nachmittag war klar und sengend, und der Weg nach El Triunfo führte durch
fruchtbares subalpines Land, das dem westlichen Montana so sehr ähnelte, dass
Joey sich fragen musste, warum sie dafür dreizehntausend Kilometer weit
geflogen waren. Was immer Felix, nonstop und in gedämpftem Spanisch, zu Jenna
sagte, es wurde von dem Nonstopgedröhn des Engländers, Jeremy, überdeckt. Er dröhnte über die gute alte Zeit, als England mit
Argentinien auf den Falklandinseln im Krieg lag («Unsere zweitbeste Stunde»),
über die Gefangennahme Saddam Husseins («Ha, ich möchte
zu gern wissen, wie der Herr roch, als er aus
dem Loch da rauskam»), den Schwindel mit der Erderwärmung und die
unverantwortliche Panikmache seiner Urheber («Nächstes Jahr warnen sie uns noch
vor der gefährlichen neuen Eiszeit»), die
lachhafte Unfähigkeit der südamerikanischen Zentralbanker («Wenn man eine
Inflationsrate von tausend Prozent hat, dünkt mich doch, dass das mehr ist als
nur Pech»), die löbliche Gleichgültigkeit der Südamerikaner gegenüber
Frauen-«Fußball» («Das überlassen wir euch Amerikanern, sich in dieser Travestie
hervorzutun»), die verblüffend trinkbaren Roten, die aus Argentinien kommen
(«Denen können die besten südafrikanischen Weine nicht - das - Wasser -
reichen»), und seinen reichlichen Speichelfluss bei der Aussicht, zum
Frühstück, Mittag- und Abendessen Steak zu essen («Ich bin ein Fleischfresser, ein Fleischfresser, ein fürchterlicher, widerlicher Fleischfresser»).
Um sich
von Jeremy abzulenken, begann Joey ein
Gespräch mit der Mutter, Ellen, die hübsch war, ohne attraktiv zu sein, und
eine jener Stretch-Cargohosen trug, wie sie dieser Tage von einer bestimmten
Sorte Moms bevorzugt wurden. «Mein Mann ist
ein sehr erfolgreicher Bauunternehmer», sagte sie. «Ich habe in Stanford
Architektur studiert, aber jetzt bin ich zu Hause bei den Kindern. Wir haben
uns entschieden, sie zu Hause zu unterrichten, was sehr bereichernd ist und
auch schön, weil wir Ferien machen können, wann es uns zeitlich passt, aber es
macht eine Menge Arbeit, das kann ich Ihnen sagen.»
Ihre
Kinder, die lesende Tochter und die Spiele spielenden Söhne hinter ihr, hörten
es entweder nicht oder hatten kein Problem damit, ihrer Mom eine Menge Arbeit
zu machen. Als sie erfuhr, dass Joey eine kleine Firma in Washington hatte,
fragte sie, ob er Daniel Jennings kenne.
«Dan ist ein Freund von uns in Morongo Valley», sagte sie, «der hat mal wegen
unserer Steuern recherchiert. Er hat sich sogar die Protokolle der Debatten im
Kongress angesehen, und wissen Sie, was er herausgefunden hat? Es gibt für die
Einkommensteuer des Bundes keine rechtliche Grundlage.»
«Wenn man's sich mal genauer ansieht, gibt es eigentlich für gar nichts eine
rechtliche Grundlage», sagte Joey.
«Aber
natürlich will die Bundesregierung einen nicht wissen lassen, dass das ganze
Geld, das sie während der letzten hundert Jahre erhoben hat, von Rechts wegen
uns Bürgern gehört. Dan hat eine Webseite, auf der ihm zehn verschiedene
Geschichtsprofessoren bestätigen, er hat recht, es gibt keinerlei rechtliche
Grundlage dafür. Aber da traut sich in den Massenmedien keiner ran. Was ja ein
bisschen merkwürdig ist, finden Sie nicht? Sollte man nicht meinen, dass
wenigstens ein Sender oder eine Zeitung
darüber berichtet?»
«Ich denke
mal, dass es da noch eine andere Seite der Medaille gibt», sagte Joey.
«Aber
warum kriegen wir immer nur diese eine Seite gezeigt? Ist es keine Nachricht
wert, dass die Bundesregierung uns Steuerzahlern dreihundert Billionen Dollar
schuldet? Das ist nämlich die Zahl, die Dan errechnet hat, mit Zins und
Zinseszins.
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