Franzen, Jonathan
peinlich sein.»
«Ich
fürchte, das Kind ist vielleicht schon in den Brunnen gefallen.»
Möglicherweise
hatte es ja so kommen müssen: Sie klang immer mehr wie Patty. Ihr Zorn hätte
ihn mehr bekümmert, hätte er nicht jede Minute eines jeden Tages die Liebe
einer Frau genossen, die ihn voll und ganz wollte. Sein Glück erinnerte ihn an
die frühen Jahre mit Patty, die Tage, in denen sie als Team die Kinder
großgezogen und das Haus renoviert hatten, jetzt aber war er sich selbst viel
gegenwärtiger, konnte sein Glück viel intensiver und bis ins kleinste Detail
schätzen, und Lalitha war nicht der Kummer, das Rätsel und die sturköpfige
Fremde, die Patty auf einer bestimmten Ebene immer für ihn geblieben war. Bei
Lalitha sah man, was man hatte. Im Bett mit ihr erlebte er, sobald er von
seinen Verletzungen genesen war, das, was er immer vermisst hatte, ohne gewusst
zu haben, dass er es vermisste.
Nachdem
die Umzugsleute alle Spuren der Berglunds aus der Villa entfernt hatten, fuhren
er und Lalitha mit dem Transporter Richtung Florida los, von wo aus sie dann
nach Westen weiterwollte, quer über den südlichen Leib des Landes, bevor es zu
warm wurde. Er wollte ihr unbedingt eine Rohrdommel zeigen, und ihre erste
entdeckten sie im Corkscrew Swamp in
Florida, an einem schattigen Teich mit einem Holzsteg, der unter dem Gewicht
von Ruheständlern und Touristen knarrte, doch es war eine Rohrdommel ohne Gedommel,
wie sie da vor aller Augen stand und die Aufhellblitze der Touristenkameras von
ihrer irrelevanten Tarnung abprallen ließ. Walter beharrte darauf, die Deiche
des Big-Cypress-Schutzgebietes auf der Suche nach einer echten Rohrdommel,
einer scheuen, abzufahren, und hielt Lalitha einen ausgedehnten Vortrag über
den ökologischen Schaden, den die Freizeit-Quadfahrer anrichteten, die
geistigen Brüder von Coyle Mathis und Mitch Berglund.
Aus irgendeinem Grund waren, trotz des Schadens, der Gestrüppdschungel und die
Schwarzwassertümpel nach wie vor voller Vögel wie auch zahlloser Alligatoren.
Endlich entdeckte Walter eine Rohrdommel in einem Sumpf, der übersät war von
Schrothülsen und ausgebleichten Budweiser-Kartons. Lalitha bremste den
Transporter in einer Staubwolke ab und bewunderte pflichtschuldig den Vogel
durch ihren Feldstecher, bis ein mit drei Quads beladener Sattelschlepper vorbeidonnerte.
Sie hatte
noch nie zuvor gecampt, machte aber bei allem bereitwillig mit und war für
Walter in ihrem atmungsaktiven Safarianzug unfassbar sexy. Hilfreich war, dass
sie keinen Sonnenbrand bekam und Moskitos ebenso abstieß, wie er sie anzog. Er
versuchte, ihr einige Grundlagen des Kochens beizubringen, sie aber zog die Aufgaben
des Zeltaufbaus und der Streckenplanung vor. Jeden Morgen stand er vor
Sonnenaufgang auf, machte in ihrem Sechstassentopf Espresso und brachte ihr
einen Soja-Latte ins Zelt. Dann zogen sie im Tau und in dem honigfarbenen Licht
los. Seine Empfindungen für die Tierwelt teilte sie nicht, aber sie hatte die
Gabe, kleine Vögel im dichten Laub zu erspähen, sie studierte die Naturführer,
und sie krähte vor Entzücken, wenn sie ihn bei falschen Bestimmungen erwischt
hatte und korrigierte. Am Vormittag dann, wenn das Vogelleben ruhiger geworden
war, fuhren sie einige Stunden weiter nach Westen und suchten sich
Hotelparkplätze mit unverschlüsseltem kabellosem Internetzugang, damit Lalitha
sich per E-Mail mit ihren zukünftigen Praktikanten abstimmen und er Einträge
für den Blog schreiben konnte, den sie ihm eingerichtet hatte. Dann wieder ein
staatliches Schutzgebiet, wieder ein Abendpicknick, wieder eine ekstatische
Balgerei im Zelt.
«Hast du
inzwischen nicht genug davon?», sagte er eines Abends auf einem besonders
hübschen und leeren Campingplatz im Mesquiteland im Südwesten von Texas. «Wir
könnten eine Woche in einem Motel wohnen, im Pool schwimmen, unsere Arbeit
machen.»
«Nein, ich
finde es wunderbar, dir dabei zuzusehen, wie du nach Tieren Ausschau hältst»,
sagte sie. «Ich finde es wunderbar, dass du glücklich bist, nach all der Zeit,
in der du unglücklich warst. Ich finde es wunderbar, dass ich mit dir unterwegs
bin.»
«Aber
vielleicht hast du ja jetzt genug davon?»
«Noch
nicht», sagte sie, «auch wenn ich glaube, dass ich die Natur nicht so recht
begreife. Nicht so wie du. Für mich hat sie so was Gewaltsames. Die Krähe, die
die frisch geschlüpften Ammern gefressen hat, diese Fliegenschnäpper, der
Waschbär, der über die Eier da hergefallen ist, die
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