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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Wochen brauchte. Dem
zweiten Album der Band, In Case
You Hadn't Noticed, wurde nicht mehr Aufmerksamkeit
zuteil als dem ersten, aber das dritte, Reactionary Splendor, erschien
bei einem weniger winzigen Label und rangierte am Ende des Jahres auf mehreren Charts
unter den Top Ten. Als Richard dieses Mal durch Minnesota kam, rief er vorher
an und kriegte es auf die Reihe, zusammen mit der höflichen, aber gelangweilten
und zumeist schweigenden Molly, die seine
Freundin war oder auch nicht, einen Nachmittag bei Patty und Walter zu Hause zu
verbringen.
    Besonders
schön war dieser Nachmittag - so überraschend spärlich Pattys Erinnerungen daran auch sind - für Walter. Patty hatte mit den Kindern
und mit dem Versuch, Molly mehrsilbige
Wörter zu entlocken, alle Hände voll zu tun, aber Walter konnte all seine
Renovierungsarbeiten am Haus zur Schau stellen und den hübschen,
energiegeladenen Nachwuchs vorführen, den er mit Patty gezeugt hatte, und
dabei zusehen, wie Richard und Molly die beste
Mahlzeit ihrer gesamten Tournee verdrückten, und, nicht minder wichtig, Richard
reichhaltige Informationen über die alternative Musikszene abzapfen, die er in
den darauffolgenden Monaten gut zu verwerten wusste, indem er die Alben aller
Künstler kaufte, die Richard ihm genannt hatte, sie während des Renovierens
auflegte, die männlichen Nachbarn und Kollegen, die sich selbst für hippe
Musikkenner hielten, damit beeindruckte und in dem Gefühl badete, in beiden
Welten die Nase vorn zu haben. Der Stand der Dinge, ihre Rivalität betreffend,
war für ihn an diesem Tag überaus befriedigend. Richard war abgebrannt,
kleinlaut und zu mager, seine Freundin sonderbar und unglücklich. Walter, jetzt
zweifelsfrei der große Bruder, konnte sich zurücklehnen und Richards Erfolg als
pikantes, hipnessförderndes Beiwerk seines eigenen Erfolgs genießen.
    Damals
wäre das Einzige, was Walter in jene ungute Gefühlslage hätte zurückversetzen
können, die ihn im College gequält hatte, als er gegen den Menschen zu verlieren glaubte,
den er zu sehr mochte, um ihn besiegen zu wollen, eine bizarre pathologische
Folge von Ereignissen gewesen. Bei ihm zu Hause hätte sich die Lage erheblich
verschlechtern müssen. Walter hätte es, in furchtbaren Konflikten mit Joey,
misslingen müssen, ihn zu verstehen und seine Achtung zu gewinnen, ja im
Prinzip hätte er sich genauso aufführen müssen wie früher sein eigener Vater,
und dazu hätte Richards Karriere einen unerwarteten und späten Aufschwung
erfahren und Patty sich leidenschaftlich in ihn verlieben müssen. Wie groß war
die Chance, dass all dies geschehen würde?
    Leider
Gottes nicht gleich null.
    Man möchte
dem Sex ja nicht zu viel Erklärungskraft beimessen, und doch wäre es ein
Pflichtversäumnis der Autobiographin, würde sie ihm nicht einen unbequemen
Absatz widmen. Die bedauerliche Wahrheit ist die, dass Patty Sex schon bald
langweilig und müßig fand - immer die gleiche alte Leier - und hauptsächlich
Walter zuliebe mitmachte. Und ja, kein Zweifel, nicht besonders gut mitmachte.
Es gab einfach fast immer irgendetwas anderes, das sie lieber getan hätte.
Meistens hätte sie lieber geschlafen. Oder es kam ein ablenkendes oder leicht
beunruhigendes Geräusch aus einem der Kinderzimmer. Oder sie überschlug im
Geist, wie viele unterhaltsame Minuten eines
Westküsten-College-Basketballspiels ihr noch bleiben würden, wenn sie endlich
den Fernseher wieder einschalten durfte. Aber selbst alltägliche Verrichtungen
wie Gartenarbeit, Saubermachen und Einkaufengehen konnten, verglichen mit Sex,
äußerst reizvoll und dringend erscheinen, und war der Gedanke erst einmal im
Kopf, dass man sich in Windeseile entspannen und in Windeseile Erfüllung finden
musste, damit man hinuntergehen und die Fleißigen Lieschen pflanzen konnte, die
in ihren kleinen Plastikbehältern vor sich hin welkten, war alles aus. Sie
versuchte, Abkürzungen zu nehmen, versuchte, es Walter vorauseilend mit dem
Mund zu besorgen, sagte ihm, sie sei müde und er solle ruhig einfach seinen
Spaß haben und sich um sie nicht weiter kümmern. Aber der arme Walter war so
veranlagt, dass ihm seine eigene Befriedigung weniger wichtig war als ihre
oder er sie zumindest an die ihre knüpfte, und irgendwie fand sie nie die
richtigen Worte, um ihm auf freundliche Weise klarzumachen, in was für eine
missliche Lage er sie damit brachte, denn letzten Endes hätte sie ihm dann doch
sagen müssen, dass sie ihn nicht so sehr begehrte wie

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