Frau Bengtsson geht zum Teufel
seht zu, dass sie sich im Magen mit ihrem speziellen Freund vereinen. Krebse lieben Schnaps!« Ove lachte über sich selbst, hieß die Gäste noch einmal willkommen und brachte einen Toast auf alle Anwesenden aus. Frau Bengtsson toastete artig zurück. Unter Oves Partyhut rann ein Schweißtropfen hervor. Er wischte ihn mit der Krawatte ab und zwinkerte Jessica Krebs zu.
Das fiel ihr natürlich auf.
Warum sollte sie sich von Herrn Bengtsson distanzieren? Das hatte er wirklich nicht verdient. Sie wollte es nicht und bezweifelte, dass sie es je tun könnte.
Warum soll ich es mir schwerer machen, als es schon ist?, dachte sie und sah ein, dass ihr Kalkül nicht aufging. Ehebruch ist es wohl trotzdem, auch wenn man den verachtet, mit dem man … es tut? Auch wenn man nur fickt, ohne es wirklich zu wollen? Jedenfalls akzeptiert keiner die Entschuldigung, dass es nichts bedeutet. Dann ist es auch nicht die Voraussetzung dafür, dass es als Ehebruch zählt? Sie entschied, dass dem so war, und prostete dem frischgebackenen Vierzigjährigen zu.
Nein, untreu wollte sie nicht sein. In ihrer Welt war dies kompliziert und gefühlsbeladen, eine Bedrohung der eigenen Verhältnisse. Aber nun war ihr der Trick eingefallen, der es viel leichter machte: Bloß, weil es Gott so viel bedeutet, muss es mir ja nichts bedeuten. Augen zu und durch, ohne jedes Lustgefühl, ohne Engagement. Ja, so werde ich es tun.
Sie folgte dem Strom zu Tisch und bemerkte zufrieden, dass Herr und Frau Ove das Ehepaar Bengtsson in nächster Nähe plaziert hatten. Das bekräftigte ihren Status, und die Anordnung würde ihren Plan erleichtern. Oder …? Zumindest wollte sie die Lage peilen. Tief im Bauch spürte sie ein erwartungsvolles Kitzeln, aber sie machte sich keine Vorwürfe – Abenteuer war Abenteuer.
Beim Essen entdeckte sie zwischen Krebssuppe und Schnaps die kleinen Tricks wieder, die eine Frau in ihrer Flirtschublade hat. Tricks, die sie lange nicht mehr angewendet hatte. Jedenfalls nicht die lustigsten. Freilich führte unser Hausbesitzerpaar eine gute Ehe – besser als der Durchschnitt, wie beide noch dachten. Und dass sie so dachten, zählte viel mehr als die tatsächlichen Verhältnisse.
Nach neunzehn Jahren Ehe wusste Herr Bengtsson, wann seine Frau Interesse hatte, zumindest sollte man dies annehmen. Die Trickkiste war also ein wenig eingerostet. Außerdem erschwerte der Anlass die einschlägigen Gesten. Jedes Mal wenn sie sich durch die Haare fahren oder verführerisch mit einer Locke spielen wollte, musste sie sich beherrschen. Krebsfest gleich Krebssaft gleich stinkende, aufgedunsene Finger. Ein paarmal fiel ihr dies zu spät ein, und sie fühlte sich fischig. Wie auch immer, es schien trotz allem noch zu funktionieren. Frau Ove, die ihr gegenübersaß, schien nichts zu bemerken, vielleicht weil sie selbst eine Art Paarungstanz mit ihrem Tischkavalier vollführte. Es war fast wie Stille Post, allerdings mit schlüpfrigen Absichten. Ich beuge mich etwas tiefer vor, damit mein Ausschnitt zur Geltung kommt – weitersagen. Frau Bengtsson kicherte bei dem Gedanken.
»Was ist denn so lustig?«
Sie zuckte zusammen und drehte sich zu ihrem Mann um, der überhaupt nicht aussah, wie sie erwartet hatte. Er sah aus wie ein Mann, der genau wusste, was seine Frau vorhatte.
»Was meinst du?«, antwortete sie.
»Was tust du da eigentlich?« Er sah sie mürrisch an, und für Sekundenbruchteile schämte Frau Bengtsson sich. Aber dann wurde sie rasch sauer. ›Was tust du da eigentlich?‹
»Hör auf. Ich bin doch bloß nett. Wie alt bist du, siebzehn?«
»Nein, aber man sollte meinen, du wärst es, wie du dich benimmst.«
»Benimmst! Jetzt reicht’s mir aber.« Die Köpfe in Frau Bengtssons Nähe wandten sich ihr zu, und sie senkte die Stimme. »Benimmst. Du benimmst dich. Man wird ja wohl noch nett sein dürfen?« Sie streckte die Hand nach einem weiteren Krebs aus und griff zu, ohne nachzusehen. »Da gehen wir ein einziges Mal aus und wollen uns ein bisschen amüsieren. Nach neunzehn Jahren solltest du in Gottes Namen wissen, dass … Auaaa!« Sie schüttelte heftig die Hand – es war der Augenblick, da sie Gottes Namen in den Mund nahm – und schrie so laut, dass sämtliche Tischgespräche verstummten und jeder erstaunt zu ihr herüberstarrte. Alle schwiegen. Alle außer Frau Bengtsson, die weiterschrie und versuchte, den Krebs abzuschütteln, der sich an ihrem Daumen festgebissen hatte, und außer Ove, der in Gelächter ausbrach:
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