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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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wartete.
    »Warum sagst du, dass du sie nicht totgemacht hast?«
    »Weil ich sie nicht totgemacht habe.«
    »Ist sie tot?«
    Basti nickte.
    Ihr wurde schwindelig. Gleich musste sie kotzen.
    »Woher weißt du das?«, fragte sie.
    »Ich weiß es halt. Wenn man was sieht, dann weiß man,
dass es so ist, stimmt’s?«
    »Und du warst das bestimmt nicht?«
    Der Riese schüttelte wieder ganz aufgeregt seine
Hände. »Wenn man stark ist, muss man ganz gut aufpassen, dass man niemandem
wehtut, hat die Mama gesagt. Und ich bin sehr, sehr stark. Deswegen hab ich
aufgepasst.«
    »Was ist mit Frau Dr. Holler passiert?«
    Der Riese zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, sag
du’s mir.«
    Sie schwiegen eine Weile. Irgendwie konnte sie sich
nicht vorstellen, dass der Typ Frau Holler was angetan haben sollte. Sie wollte es sich vor allem nicht vorstellen. Themenwechsel.
    »Deine Mama ist eine kluge Frau. Wo ist sie denn?«
    »Die Mama hat der rote Wolf geholt.«
    Schon wieder diese Märchenscheiße. »Jetzt sag mal im
Ernst!«
    »Die Mama ist krank. Die Mama ist im Krankenhaus.«
    »Und du bist jetzt ganz allein zu Haus?«
    »Nein.«
    »Wer ist denn noch da?«
    »Du. Schön, gell?«
    Da war sie sich nicht so sicher. »Und was ist mit
deinem Papa?«
    »Geh mir fort mit dem Fromm!«, brüllte Basti
unvermittelt. Er sprang auf und rannte im Zimmer auf und ab. »Wie kann man nur
so heißen, wenn man es so wenig ist, hat der Opa immer gesagt. Geh mir fort mit
dem Fromm!«
    Das war wohl kein so tolles Gesprächsthema.
    »Hast du auch eine Mama?«, fragte der Riese jetzt.
    Das war auch kein tolles Gesprächsthema. Aber immerhin
regte sich der Riese wieder ab und setzte sich auf den Hocker.
    »Wie man’s nimmt«, antwortete sie vorsichtig.
    »Wie nimmst du’s denn?«
    Basti ließ nicht locker. Aber vielleicht tat es ihr
gut, mit ihm darüber zu reden, war ja sonst keiner da.
    »Ich will abhauen. Ich halt es zu Hause nicht mehr
aus, seit Oma tot ist. Die war cool. Aber jetzt ist es zu Hause nur noch Mist.
Die rallen gar nichts.«
    »Ich hab mal ein Teichhuhn gesehen, das ist so eine
Ralle. Aber hier gibt es mehr Rebhühner. Das sind keine Rallen.«
    »Das hast du schon mal gesagt.«
    »Weil es stimmt. Wenn was stimmt, dann kann man es
auch öfters sagen, oder? Und wenn es nicht stimmt, braucht man es gar nicht zu
sagen, stimmt’s?«
    Jetzt musste sie lachen. Hoffentlich nahm er ihr das
nicht übel.
    Aber der Riese musste auch lachen. »Stimmt doch«,
jauchzte er und schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. Der zweite Becher mit
Hollersaft fiel um. Basti nahm den Saft mit einer Papierserviette auf.
    Vielleicht sollte sie es ganz direkt versuchen. »Wann
lässt du mich denn wieder gehen?«
    Bastis Lachen war wie weggewischt. Er schien plötzlich
betrübt zu sein.
    »Wohin willst du denn gehen? Nach Hause willst du
nicht, das hast du zugegeben. Ich kann siebenhundertachtunddreißig Rezepte
auswendig aufsagen und kochen. Schmeckt doch, oder? Gib es zu! Gib es zu!«
    »Es schmeckt klasse.«
    »Also!«
    Damit schien das Thema für Basti erledigt zu sein.
Siebenhundertachtunddreißig Rezepte, das konnte dauern. Wollte der Typ sie hier
ewig einsperren? Sie musste sich schnellstens verdünnisieren. Doch irgendwie
begann dieser Kerl, der so viel überflüssiges Zeugs wusste, ihr sympathisch zu
werden. Außerdem, Oma und Frau Dr. Holler waren tot, ihre sogenannten Eltern waren
Idioten, Annika hatte sich aus dem Staub gemacht, und Kevin hatte sie noch nie
leiden können. Wohin sollte sie also gehen? Aber einfach nur hier rumhängen und
sich bekochen lassen, das ging gar nicht.
    »Soll ich dir ein Märchen erzählen? Ich kann zweihundert
Märchen auswendig. Alle von den Gebrüdern Grimm.«
    Bloß nicht. »Später vielleicht. Willst du eigentlich
nicht mal deine Mutter im Krankenhaus besuchen?«
    »Ich hab’s ihr versprochen. Aber ich hab nicht gesagt,
wann.«
    »Das ist geschummelt.«
    »Schummeln darf man nicht.«
    »Eben. Also, wann willst du sie besuchen?«
    »Jetzt? Soll ich sie jetzt besuchen?«
    »Ja! Die freut sich bestimmt megariesig.«
    Basti stellte das Geschirr auf das Tablett und trug es
nach draußen. Sie hatte gerade nach ihrem Rucksack gegriffen, um die Fliege zu
machen, als er ins Zimmer zurückkam.
    »Wenn ich zurückkomme, gibt es Arme Ritter. Rezept
vierundvierzig. Tschüss!«
    Er verließ das Zimmer wieder und drehte den Schlüssel
zweimal im Schloss um.
    ***
    Ein kurzer Schauer war über die Gartenkolonie
»Unter den

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