Frauen fragen Feuerstein
man in den Scheinen haben !«
Hier mein vordringlichster Rat, meine Damen und Herren: Gehen Sie stolz in die Krise — mit dem Bewusstsein: Allein die Pharmaindustrie ist es, die uns den Alltag ertragen lässt. Den Jugendlichen machen Sie die Musik erträglich — durch die wunderbare Welt der Amphetamin-Derivate. Den Erwachsenen machen Sie den Beruf erträglich — durch den seligen Schleier von Valium & Co. Und der ganzen Familie machen Sie die Oma erträglich — durch die Medikamente zur Sterbehilfe. Lassen Sie sich nicht durch Propheten der Düsternis verunsichern — die Struktur der Welt ist kerngesund, und nicht umsonst heißt der Heilbutt auch nach der schlimmsten Ölpest immer noch Heilbutt und nicht Krankputt oder Kaputtputt . Zu viele Umweltschützer gibt es, die Flöhe husten hören...aber kaum einen, der bereit ist, diese armen, erkälteten Tiere zum Arzt zu bringen, denken Sie darüber in aller Ruhe nach.
Wichtig auch: Nutzen Sie die Kräfte der Natur, die Wiederbegegnung von Althergebrachtem und moderner Erkenntnis. Immerhin war es die Homöopathie, die den Grundstein zur modernen Pharmaindustrie legte: Man nehme einen teuren Grundstoff und verdünne ihn im Verhältnis eins zu einer Million...die gleiche Vorgehensweise wie bei der Kalkulation des Endverkaufspreises.
Unterschätzen Sie auch keinesfalls die Weisheit der Volksheilkunde. Spontan kommt mir dabei dieses uralte Warzenmittel in den Sinn: »Warzen bringt man zum Verschwinden, indem man hinter der Friedhofsmauer eine Katze vergräbt .« Ich habe es ausprobiert — es stimmt: Alle Warzen, die die Katze hatte, waren damit verschwunden, Oder: »Trocken Brot macht Wangen rot .« Machen Sie einen Selbstversuch und hobeln Sie mit einer alten Brotkante kräftig über ihr Antlitz — und Sie erleben den Beweis, dass das Sprichwort stimmt.
Ein weiterer Rat: Öffnen Sie sich neuen Märkten. Da wäre zum Beispiel Afrika mit seinem so völlig anderen Zeitbegriff. Die Jahre scheinen dort stillzustehen, die Zeit vergeht so viel langsamer — und jetzt mal ehrlich: Sollte das nicht auch für das Verfallsdatum Ihrer Medikamente gelten? Oder die chinesische Medizin, Millionen Männer lechzen im Fernen Osten nach Nashornpulver — und wo bleibt die Gentechnik? Wer Kolibakterien in Leberpastete verwandeln kann, wird doch wohl ein paar alte Telefonbücher zu Nashornpulver entsorgen können? Und schon Goethe schwärmte von Indien, dem Land, wo die Organe blüh’n ...und verpflanzt werden möchten, Wenigstens ein Teil-Einwanderungsland könnten wir auf diese Weise werden, wenn wir schon so knausrig mit dem Ganzkörper-Visum sind. Bis dahin mag freilich noch ein wenig Zeit vergehen, weshalb ich Sie erinnere, dass auch wir als Organspender nützlich sein könnten. Vor allem die Männer unter Ihnen — Sie kommen jetzt allmählich in ein Alter, in dem das eine oder andere Organ überflüssig wird. Auch wenn es noch so klein ist, jede Spende hilft.
Zuletzt meine wichtigste Empfehlung: Vertrauen Sie Ihrer Werbeagentur, schließlich haben Arzneimittel und Werbung so viel gemeinsam. Beide belasten die Umwelt und beide sind in der Wirkung ungeklärt. Seien Sie vor allem dankbar, dass sich die Pharma-Werbung nicht mehr an die Ärzteschaft richtet, sondern direkt ans große Publikum. Statt Pruritus-Linderung bei Anal-Varizen heißt es jetzt: »Das zärtliche Zäpfchen, das sich von selber reinschiebt«, und statt komplizierter Einzeldiagnosen bei den Psychopharmaka gilt jetzt der einheitliche Philosophensatz für jeden Menschen: »Ich denke, also spinn’ ich .« Und Sie haben das Mittel dafür.
Wussten Sie schon, dass man in einer Sprechstunde nicht immer nur sprechen muss, sondern zwischendurch schweigen soll, damit auch der Arzt mal zu Wort kommt? Und damit wären wir wieder bei unserem Freund und Verschreiber , der ja zunehmend zu den vielen vom Aussterben bedrohten Arten zählt, Der Fortschritt, meine Damen und Herren, kennt kein Erbarmen, die Diagnosemaschine scharrt mit den Rädern, im Zeitalter der virtuellen Realität wird der klassische Onkel Doktor wohl bald durch den unsichtbaren Mediziner abgelöst sein was heißt »bald«? In der Klinik gibt es ihn längst, den virtuellen Arzt. Er heißt »Professor«, ist für Patienten unsichtbar und scheint nur noch in der Rechnung auf.
Seien Sie also nett zum guten alten Onkel Doktor, solange es ihn noch gibt, hofieren Sie ihn und verwöhnen Sie ihn wie bisher — nach dem Motto: »Lieber einen Hunni in der Schublade
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