Frauen verstehen mehr von Liebe
Rat, die Flinte nicht ins Korn zu werfen, beherzigen.«
»Sage ich doch. Und zwar nimmst du dir den jetzt auf geradem Wege vor, sozusagen Mann gegen Mann – besser: Frau gegen Mann – Auge in Auge, Brust an Brust, Mund auf Mund … und so weiter. Das gleiche werde ich auch durchexerzieren – mit dem meinen.«
»Und du denkst, daß denen das gefällt?«
»Das hat denen zu gefallen, Sonja!« Echt Vera war das. Sie setzte zwinkernd hinzu: »Frauen verstehen doch mehr von Liebe – von der richtigen. Es wird also nur an uns liegen.«
Das weitere Gespräch der beiden wurde noch recht gelöst. Geradezu aufgekratzt erklärte Vera, daß ihr Sonja nur zuvorgekommen sei. Wenn sie, Sonja, nicht heute bei ihr, Vera, angerufen und um ein solches Treffen gebeten hätte, dann hätte morgen oder übermorgen sie, Vera, bei ihr, Sonja, angerufen, um den Stein ins Rollen zu bringen.
»Dann hätte ich mich zurückgezogen, Sonja«, sagte sie. »Das war schon mein Entschluß.«
»Du hast wirklich geglaubt, daß es mir mit Karl ernst ist?«
»Das mußte ich doch! Du hättest dich nur selbst sehen sollen, wie du manchmal in Fahrt warst.«
»War ich also gut?« lachte Sonja. »Absolut glaubhaft, nicht?«
»Ich hätte dir oft am liebsten die Augen ausgekratzt.«
»Und ich dir.«
Vera seufzte froh. Jetzt sei das ja vorbei, sagte sie. Gott sei Dank. Karl sehe nicht nur besser aus als Albert, er passe auch besser zu ihr, charakterlich, weltanschaulich, einfach in allem. Das hätten so manche Momente in den letzten Wochen deutlich gezeigt. Nur einen einzigen Punkt gebe es bei ihm, der in die Hand genommen werden müsse von ihr: seine Existenz.
Vera ging der Mund über, weil ihr das Herz voll war. Das lag in Veras Art.
Sonjas Widerspruch zu all dem, was Vera sagte, erschöpfte sich darin, mit Nachdruck zu erklären, daß nicht Karl besser als Albert, sondern Albert eindeutig besser als Karl aussehe. Alles übrige sei aber richtig. Karl passe wirklich besser zu Vera, und Albert besser zu ihr, Sonja. Auch dies hätten nicht wenige Momente gezeigt, oft sogar dieselben.
Dann machte Sonja eine Pause, blickte Vera an, seufzte bekümmert.
»Morgen treffe ich mich mit Karl«, sagte sie. »Ich habe ihn gebeten, daß er mich bei einem Einkauf künstlerisch beraten soll.«
»Und ich mich mit Albert. Ich habe ihn gebeten, mich zu seinem Zahnarzt zu bringen. Der meine paßt mir nicht mehr.«
Die erste, die mit ihrem Lachen herausplatzte, war natürlich wieder Vera.
»Weißt du, woran ich denke?« fragte sie Sonja, die in ihre Lache einstimmte und erwiderte: »Wahrscheinlich an dasselbe wie ich: daß beiden morgen um die gleiche Zeit der Laufpaß gegeben wird, und keiner von ihnen sich das heute schon träumen läßt. Ist doch so, nicht? Oder willst du damit noch warten?«
»Nein, nein«, lautete Sonjas doppelte Beteuerung.
Als die beiden das Café verließen, konnte jeder sehen, wie tief das Einvernehmen war, das zwischen ihnen herrschte. Sie gingen per Arm, lachten einander an und hatten an der Tür sogar einen kleinen Stop, weil jede der anderen den Vortritt lassen wollte.
Blitze der Erkenntnis trafen die zwei angehenden Mediziner, die den Mädchen nachblickten. Nun werde ihm alles klar, sagte der eine und ließ das erhellende Wort fallen: »Lesbisch.«
»Die Natur kann grausam sein«, meinte der andere.
Dr. Albert Max glaubte, als er am nächsten Tag gegen 17.00 Uhr Vera Lang beim UNION-Filmverleih anrief, daß dies eine schmerzliche Angelegenheit für das Mädchen werden würde.
»Ich muß dich enttäuschen«, begann er. Um ein Haar hätte er ›dir weh tun‹ gesagt.
»Wieso, was ist, Albert?«
»Leider können wir uns heute nicht sehen.«
»Nicht?«
»Es hat sich noch ein wichtiger Mandant angesagt, den ich nicht –«
»Dagegen kann man nichts machen«, unterbrach Vera.
Nun war Albert enttäuscht, weil Vera offensichtlich nicht besonders enttäuscht war. Es schädigte ihn in seinem Selbstwertgefühl.
»Du ärgerst dich nicht?« fragte er.
»Zahnschmerzen habe ich ja keine. Die Plombe, die mir herausgefallen ist, kann auch später ersetzt werden.«
»Nein, nein«, sagte Albert rasch. »Zum Zahnarzt wirst du schon gebracht, das habe ich nicht vergessen. Ich schicke dir einen Ersatzmann.«
»Wen?«
»Karl.«
»Karl?!« rief Vera glücklich.
»Er weiß schon Bescheid, du kannst dich auf ihn verlassen. Es wird mit ihm alles genau so ablaufen wie mit mir.«
»Genau so wie mit dir«, echote Vera. Das hoffe ich, dachte
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