Freche Mädchen... 08: Rosen, Chaos, Hochzeitsparty
probeweise zwei, drei Töne an, räuspert sich, bevor sie zu singen beginnt. Etwas Italienisches vermutlich, den Text verstehe ich nicht, aber dass es um Liebe geht, das spüre ich genau.
Merkwürdig, denke ich, Jenny ist meine Mutter, ich wohne regelmäßig ein paar Wochen im Jahr bei ihr – aber so wie jetzt hat sie noch nie gesungen, mit so viel Gefühl und Wärme in der Stimme. Einen Moment lang vergesse ich alle meine Sorgen und lausche. Stundenlang könnte ich so in meiner Hängematte liegen und nur zuhören, unter dem alten Kastanienbaum, durch dessen Geäst die Sonnenstrahlen flirren.
»Wunderschön«, murmelt Natascha, nachdem der Applaus verklungen ist und Jenny sich gesetzt hat. »Das ist ein wunderschönes Lied.«
Sogar mein Vater meint: »Nicht mal so schlecht.«
»Ach, das freut mich aber riesig, dass es euch gefällt!«, ruft Jenny. »Rolf hat sich sehr viel Mühe mit der Komposition gemacht. Wir müssen uns jetzt nur überlegen, wo wir es bei der Feier einbauen. Vor dem Standesamt oder eher gegen später? Auf der Party vielleicht?«
»Du hast jetzt gesungen, das reicht völlig als Geschenk«, sagt Papa. »Ich bedanke mich auch, es war wirklich sehr schön.«
»Ach, mir ist da was Lustiges passiert!«, wirft Natascha mit lauter Stimme ein. »Neulich habe ich im Supermarkt an der Käsetheke meine alte Freundin Gladys getroffen und als sie mir erzählte, dass …«
»Interessant!«, unterbricht Lorraine sie. »Aber ich bin der Meinung, dass Jenny jetzt wissen sollte, wann sie singen wird. Ich fände vor dem Standesamt nicht übel, das hat doch was.«
»Vor dem Standesamt dachte ich eigentlich auch«, sagt Jenny. »Aber andererseits wollen wir dort doch Reis werfen. Man sollte auch darüber nachdenken, ob bei der Hochzeitsparty vielleicht ein Feuerwerk …«
»Stopp!«, fällt Papa ihr ins Wort. »Jenny, dass es klar ist, Natascha und ich wollen eine Hochzeit ohne jedes Brimborium. Denk bitte immer daran, es handelt sich hier um meine Hochzeit und nicht um deine. Deshalb möchte ich dich bitten, dass du dich in Zukunft etwas zurückhältst.«
»Was heißt hier Brimborium?« Jennys Augen funkeln angriffslustig und ihre Stimme klingt plötzlich schrill. »Willst du etwa behaupten, dass meine Musik Brimborium sei?«
Eine Erinnerung an früher durchzuckt mich: Ich stehe im Schlafanzug oben an der Treppe, meine Kuscheltiere fest an mich gedrückt, während unten im Wohnzimmer meine Eltern streiten, so laut, dass sie mein Weinen nicht hören.
Bevor Papa etwas auf Jennys Frage erwidern kann, rufe ich: »Könnt ihr damit nicht endlich einmal aufhören?«
Rolf nickt mir zu. »Carlotta hat vollkommen recht. Wieso streitet ihr euch? Das ist die Sache nicht wert. Davon abgesehen, ich würde mich gern verabschieden, ich habe heute Nachmittag noch einiges zu tun.«
Nachdem er gegangen ist, murmelt Lorraine, die die letzten Minuten ausschließlich damit beschäftigt war, Kirschen zu essen: »Ganz unter uns, von diesem Nachmittag habe ich mir mehr versprochen.«
Papa räuspert sich, aber Lorraine ist nicht mehr zu bremsen. »Natascha, wenn wir schon beim Thema Hochzeit sind, dann will ich wenigstens wissen, was deine früheren Kollegen vom Theater planen. Einen netten Sketch zum Beispiel? Kinder, heiraten ist so was von spannend. Ich bin ja so aufgeregt, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.«
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich unauffällig verabschiede, so wie Papa das eben macht. Ich will Anke anrufen, um ihr von meinem Erlebnis vor der Reinigung zu erzählen. Könnte sogar sein, dass sie Chris kennt – unsere Stadt ist ja so was von überschaubar. Außerdem muss ich endlich auch einmal in Ruhe über Jannis nachdenken und darüber, warum ich zurzeit nicht so glücklich mit ihm bin. Irgendwas läuft in unserer Beziehung gerade total schief, so viel ist mir jedenfalls klar.
Ich angle mir die letzten paar Kirschen aus dem Eimer und bin schon an der Terrassentür, da sagt Lorraine: »Natascha, wenigstens das Brautkleid kannst du uns doch zeigen. Daraus muss man nun wirklich kein Geheimnis machen.«
Ich höre nur Brautkleid und reagiere sofort.
Mein Nein kam wahrscheinlich zu laut und zu heftig und unabhängig davon geht es mich überhaupt nichts an. Theoretisch zumindest, aber praktisch … »Nein«, wiederhole ich schnell, jetzt aber in Zimmerlautstärke, »das bringt Unglück.« Ich marschiere wieder zurück und lasse mich neben Lorraine auf die Gartenbank fallen. Ich habe
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