Freibeuter der Leidenschaft
mit fester Stimme. Sie hielt den Kopf hoch erhoben und war froh, dass sie den Schmuck trug, den sie von Clive bekommen hatte, und die Diamanten, die der Countess gehörten. Sie konnte nicht klar denken, vielleicht weil ihr Herz so schnell schlug. Aber eines wusste Amanda genau: Ihre Mutter durfte nicht erfahren, dass sie ihr so viel Kummer bereitet hatte.
„Ich habe keine Mutter – das hatte ich nie. Ich hatte einen Vater, aber er ist tot.“ Sie kämpfte gegen ihre Gefühle, die entschlossen zu sein schienen, sie zu überwältigen. „Wir sollten keinen Moment lang so tun, als wären wir Mutter und Tochter.“ Amanda wich zur Wand zurück. „Denn das sind wir nicht.“
Dulcea starrte sie an. „Das ist herzlos!“ Aber sie musterte Amanda von Kopf bis Fuß, wobei ihr Blick auf der Tiara mit ihren Diamanten und Perlen verharrte.
Es dauerte einen Moment, ehe Amanda sprechen konnte. „Nein, Lady Belford, ich denke, Sie sind herzlos!“ Amanda sagte sich, sie sollte sich umdrehen und fortgehen. Es sollte überhaupt kein Gespräch geben. Nicht weit entfernt war ein Billard-Zimmer, wo Damen und Gentlemen in Gespräche und Spiele vertieft waren. Sie konnte dorthin gehen und sich unter die Leute mischen. Aber sie brachte es nicht über sich zu gehen, und sie begann zu zittern. „Nach dem Tod meines Vaters kam ich hierher, um dich zu finden. Es war Papas letzter Wunsch! Glaubst du, ich wollte die Inseln verlassen? Glaubst du, ich hätte je damit gerechnet, dass du mich willkommen heißt? Aber ich konnte es meinem Vater nicht abschlagen. Wie kannst du es wagen, mich als herzlos zu bezeichnen?“
Endlich sah Dulcea Amanda fest ins Gesicht. „Ich war außer mir, als de Warenne mir sagte, du hältst dich in Harmon House auf. Amanda, wir müssen darüber sprechen, damit du mich verstehst, aber unter vier Augen. Bitte. Lass uns nach draußen gehen.“
„Da gibt es nichts zu besprechen“, brachte Amanda heraus, den Tränen so entsetzlich nahe. Warum sollte sie jetzt weinen wollen? Gewiss hatte sie den Schmerz über die Zurückweisung ihrer Mutter bereits überwunden. Doch ihre Füße gehorchten ihr nicht und bewegten sich nicht in die Richtung, die ihr Verstand ihr befahl, und so stand sie nur reglos da, starrte sie an und sah ihre Mutter endlich richtig.
Dies war die Frau, die sie geboren und sie dann einfach weggegeben hatte. Sie hatte endlich ihre Mutter getroffen, die Mutter, die sich geweigert hatte, sie anzunehmen.
„Willst du nicht meine Sicht der Dinge hören?“, rief Dulcea und griff nach ihrer Hand.
Amanda zuckte die Achseln, zog ihre Hand zurück, doch sie war erschüttert. Wollte sie hören, was ihre Mutter zu sagen hatte?
„Dies war für dich ein wunderbarer Abend“, sagte Dulcea und lächelte jetzt. „Offenbar hast du großen Erfolg. Ich bin stolz auf dich, Amanda. So stolz.“
Amanda zitterte. „Nein, das bist du nicht. Du tust nur so. Ich bin dir egal, und so ist es immer gewesen.“ Die Worte ihrer Mutter schmerzten sie.
„Das stimmt nicht!“, stieß Dulcea hervor. „Natürlich liegt mir an dir. Willst du nicht die Wahrheit hören? Die ganze Wahrheit?“
Amanda zögerte. So benommen wie sie war, so warnten sie doch all ihre Instinkte, rieten ihr, von dieser Frau wegzugehen. Noch immer besaß sie die Macht, sie zu verletzen, wie es niemand sonst vermochte. Aber sobald wie möglich wollte sie England verlassen, und sie würde Dulcea Belford nie wiedersehen. Sollte sie nicht herausfinden, was vor zwei Monaten geschah – und vor achtzehn Jahren? Wenn sie das jetzt nicht tat, würde sie es niemals erfahren.
„Nun gut.“ Amanda nickte knapp und bewahrte einen kleinen Rest ihrer Haltung und Würde. Sie gingen ein Stück und traten hinaus auf eine große Terrasse. Ein paar Pärchen und Gruppen standen draußen und genossen die frische Luft, aber niemand beachtete sie.
„Als ich bemerkte, dass ich ein Kind erwartete, Amanda, war ich noch nicht einmal siebzehn. Ich hatte entsetzliche Angst“, sagte Dulcea ruhig, nachdem sie sich ein wenig abseits der anderen hingestellt hatten.
Amandas Herz schlug schneller. Sie konnte sich leicht vorstellen, wie groß Dulceas Angst gewesen sein musste. Damals war sie jünger gewesen, als sie selbst es jetzt war. „Hast du meinen Vater überhaupt geliebt?“
Dulcea lächelte. „Zu jener Zeit ja. Er war so schneidig und gut aussehend in seiner Marineuniform. Er besaß Ausstrahlung, Amanda, eine Ausstrahlung, die so manche junge Frau sich nach ihm
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