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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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von mir will. Vielleicht verdächtigt er mich. Jedenfalls hat er stundenlang bei Annelie im Laden herumgehockt und gewartet.«
    »Und wo warst du?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »So viel zum wir .« Ich biss mir auf die Lippe.
    »Es geht nicht um mich. Es geht um meine Schwester.«
    »Eine Schwester hast du auch. Aha.« Er hat mich belogen mit seiner rührseligen Geschichte vom Kinderheim.
    »Eine Halbschwester und einen Halbbruder in Westfalen.«
    Okay, vielleicht tat ich ihm unrecht.
    »Was ist mit ihr?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Sie ist ein bisschen …« Er wedelte mit der Hand vor seiner Stirn.
    »Verrückt?«
    »Das wäre zu viel gesagt. Jedenfalls ist sie schwanger, und ich habe sie versteckt.«
    »Du hast was?« Mit einem Ruck wollte ich aufspringen, aber der Stich in meinem Stumpf erinnerte mich. Ich hielt inne.
    »Was sollte ich tun? Der Bulle hat mitbekommen, dass sie behauptet, ihren bzw. meinen Vater umgebracht zu haben. Aber dazu wäre sie nie fähig. Nie!«
    »Deinen Vater? Umgebracht?« Ich brauchte eine Weile, um das Ungeheuerliche in meinem Hirn aufzunehmen. »Und wieso bist du dir so sicher?«
    Tom lächelte. »Sie ist so zerbrechlich.« Sein Blick erfasste meine Gestalt und blieb an meinem Stumpf hängen.
    »Man kann es nicht sehen. Es ist mehr innerlich. Schwer zu beschreiben. Mit ihr ist es, als stehe man auf schwankendem Grund, alles ist brüchig und durchlässig. Sie ist mir verwandt, verstehst du?« Während er sprach, ging er auf dem Balkon auf und ab.
    »Sie ist deine Schwester.«
    »Ja.« Ruckartig stieß er sich von der Brüstung ab und drehte sich um, Hast im Blick.
    »Pass auf. Ich komme wieder. Bald. Sicher. Ich hab Sophie deine Nummer gegeben, falls sie mich einsperren. Du hilfst ihr, ja?« Er drückte mir einen Kuss auf den Mund und lief davon.
    Unten in der Auffahrt hielt ein Wagen, ein Citroën XM Combi, soweit ich sehen konnte, zwei Männer stiegen aus.
    Ich legte einen Finger auf die Lippen. Sein Kuss, ich wollte ihn behalten. Als ich die Hand sinken ließ, war er fort, Leere blieb zurück.
    Ich tastete nach dem Tabak in meiner Tasche, als es klopfte. Besuch? Sicher nicht. Nicht für mich. Ich kannte hier niemanden. Die Eiche stand, wo sie stand. Vom Sperling war nichts zu sehen. Ich fühlte mich unendlich verlassen.
    Es klopfte wieder, und die Tür öffnete sich einen Spalt. »Darf ich?« Der Mann aus dem Citroën steckte den Kopf hindurch, dann trat er ein, ohne dass ich ihn eingeladen hätte. Nun ja, ein Krankenhaus war eine öffentliche Einrichtung, und mein privater Bereich hatte sich auf meinen Rollstuhl reduziert.
    »Hauptkommissar Böse«, stellte er sich vor, reichte mir die Hand, streifte meinen Stumpf mit einem Blick und sah rasch weg. Er wirkte sympathisch, unsicher angesichts meiner Behinderung. Seinen Trenchcoat, der mich an »Columbo« erinnerte, legte er über das Geländer, ohnehin war es zu warm für einen Mantel, holte einen Stuhl aus dem Krankenzimmer und setzte sich mir gegenüber.
    »Frau Di Marco.« Er lächelte und ich nickte.
    »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Werden Sie mit mir reden?«
    »Kann ich es ablehnen?«
    »Nur im Moment, nicht auf Dauer. Ich könnte verstehen, dass Sie sich nicht sehr wohl fühlen, nach allem, was Ihnen passiert ist.« Wieder sah er meinen Stumpf an. »Ich werde mich kurz fassen«, fügte er eilig hinzu.
    Ich schwieg.
    »Wissen Sie, wo sich Tom Sebald derzeit aufhält?«
    »Nein«, sagte ich mit Überzeugung. Ich wusste es ja wirklich nicht. Ich wusste nur, wo er sich vor wenigen Minuten aufgehalten hatte, und spürte den Impuls, meine Lippen zu berühren, unterließ es aber.
    »Seit wann kennen Sie ihn?«
    Eine Ewigkeit, so kam es mir vor, aber das war natürlich Unsinn. Die wenigen Tage, die ich Tom kannte, waren in einem unbeschreiblichen Tempo vergangen und hatten mein Leben verändert, von Grund auf. Was wäre geschehen, wenn ich statt Tom Annelie im Laden begegnet wäre? Ich hätte Tabak und Wasser gekauft, vielleicht einen Kaffee getrunken und meinen Weg fortgesetzt. Ich hätte mein Bein noch.
    »Wir sind uns ein paar Tage vor meinem Unfall begegnet.«
    »Können Sie das präzisieren?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Dann muss ich mir wohl kaum die Mühe machen, darüber nachzudenken.«
    »Frau Di Marco, wir ermitteln in einem Mordfall.«
    »Und verdächtigen ihn?«
    Böse schwieg und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Beim besten Willen konnte ich

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