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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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auch kein Wunder. Julia hat mir erzählt, was bei denen abgegangen ist. Genaugenommen hat es nicht den Falschen erwischt.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    Conrad war unruhig umhergegangen, nun setzte er sich und stützte den Kopf in die Hände. »Nein. Trotzdem. Wenn es so ein sadistisches Arschloch trifft, fehlt mir ein bisschen der innere Antrieb, verstehst du?«
    »Seit wann spielst du den Gerechtigkeitsfanatiker? Ich muss dir ja wohl nicht erzählen, dass es Gesetze gibt in diesem Land.«
    Conrad winkte ab. »Lass uns nicht darüber reden. Es ist müßig. Was meinst du? Wie lange können wir Sebald hierbehalten?«
    »Höchstens bis morgen. Für länger wird es nicht reichen, selbst wenn wir eine Hausdurchsuchung durchkriegen und ein paar Drogen finden. Oder denkst du wirklich, der haut ab?«
    »Nein, denke ich nicht. Irgendwie glaub ich auch nicht, dass er es war. Rein formal hätte er ein Motiv. Aber ich hab mich mit ihm unterhalten. Mir kommt es nicht so vor, als würde er für Kohle einen Mord begehen und schon gar nicht auf diese Weise. Und sonst? Möglich, dass er die kleine Schwester versteckt. Ihretwegen den Vater, den er kaum kennt, umzubringen, wäre eine andere Sache. Glaub ich nicht dran. Eigentlich hab ich überhaupt keine Idee, wer den Kerl umgebracht haben könnte. Vielleicht hat Julia Recht, und Eck und seine allerliebste Lebensabschnittsgefährtin waren es.« Conrad hob die Schultern und starrte vor sich hin. Eine Stille entstand. Dann wurde Tom Sebald von zwei Beamten abgeholt. Den Rest des Tages und die kommende Nacht würde er in der Zelle verbringen.

Claire
    Diese Sophie war völlig verrückt. Mein Rollstuhl holperte über das Pflaster. Er war noch nicht für größere Ausflüge gemacht, und ich spürte jede Unebenheit.
    »Morgen? Sag mal spinnst du? Man wird nach mir suchen und nach dir sowieso. Dreh sofort um!« Ich versuchte, die Schwungräder des Gefährts mit den Händen zu stoppen. Das war natürlich sinnlos. Sie schob mich an Läden vorbei, die gerade Mittagspause hatten, bog in eine einsame Gasse ein und überquerte eine größere, wenig befahrene Straße. Ich erwischte die Bremse, aber sie bewirkte gar nichts. Inzwischen rannte sie fast.
    »Halt sofort an!« Ein Mann ging auf der anderen Straßenseite. Sollte ich um Hilfe schreien? Bevor ich mich entschließen konnte, keuchte sie: »Ich kann nicht allein sein. Das konnte ich noch nie. Tom hat gesagt, du hilfst mir.«
    Hatte er ihr das gesagt? Und wenn ja, wie kam er darauf und wie sollte ich das machen, wo ich eher selbst Hilfe brauchte?
    »Ich kann dir nicht helfen, Sophie. Und so schon gar nicht. So wird alles nur noch schlimmer. Verstehst du das nicht?« Mittlerweile konnte ich den Bahnhof sehen.
    »Wo willst du hin?«
    »Zum Bootsschuppen natürlich. Und du kommst mit. Im Krankenhaus ist es scheiße, da sind nur Kranke.«
    »Ich bin krank.«
    Sie schob mich quer über den Bahnhofsplatz zur Unterführung. Ich hörte ihren Atem in meinem Nacken. Gott sei Dank oder dummerweise hatte die Unterführung eine Rollstuhlrampe. Graffitis flogen an mir vorbei, es stank nach Urin und Dreck. Auf der anderen Seite führte ein unbefestigter Weg in ein abgetrenntes Areal, dessen Zaun seine Funktion nicht mehr erfüllte. Was wollte sie hier? Sie würde ja wohl nicht mit der Bahn zum Bootsschuppen fahren wollen. Angst schnürte mir die Kehle zu. Bleib ruhig, denk nach. Es ging zwischen zwei brüchigen Gebäuden hindurch. Plötzlich stoppte sie. Ich klammerte mich an die Armlehnen, um nicht vornüberzukippen. Der Platz hinter den Gebäuden war leer.
    »Ich weiß genau, dass es da war. Bleib sitzen. Es muss hier sein.«
    Etwas anderes, als sitzen zu bleiben, wäre mir auch nicht eingefallen. Sophie rannte los, lief in ein offenstehendes Tor, kam wieder heraus, lief in das andere Gebäude und kam wieder zurück. Sie stützte die Hände auf die Knie und atmete heftig, dann hob sie den Kopf. »Ich kann dich nicht mitnehmen. Es ist weg.«
    Erleichterung machte sich in mir breit, wenigstens konnte sie mich nicht mitnehmen. Sie setzte sich auf das zerfallene Mäuerchen, das mitten auf dem Platz ein Viereck bildete und dessen ehemalige Funktion mir verschlossen blieb. Mein Stumpf und mein Rücken schmerzten, ich fühlte mich, wie von einer Dampflok überrollt. Langsam holte ich meinen Tabak aus der Tasche und drehte eine Zigarette. »Und was jetzt?« Ich blies den Rauch aus. Das vertraute Ritual beruhigte mich ein wenig.
    »Sie haben es bestimmt geklaut.

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