Fremde Federn
hatte sie sich mit dem Kameramann angefreundet, dem zuverlässigen, nachdenklichen Jock Ferguson. Manchmal drehten sie zusammen eine Szene, die fast respektabel war.
Trotzdem betrachtete sie diese Arbeit als vorübergehend, als reine Einnahmequelle, bis sie die richtige Bühnenrolle fand. Ihre Integrität als Schauspielerin wurde durch die branchenübliche Anonymität der Filmdarsteller gewahrt. Nur wenige Regisseure, wie beispielsweise Griffith, wurden im Titelvorspann und in der Reklame aufgeführt, und eine Schauspielerin namens Florence Lawrence wurde als »Das Biograph-Mädchen« angekündigt, aber das war auch schon alles.
Hobart sah Die Schlacht des einsamen Indianers in Logansport, Indiana - »am Ende der Zivilisation« —, und gratulierte ihr in einem Brief zu ihrer schauspielerischen Leistung. Sobald sein Vertrag auslaufe und er »dieses verdammte Stück — Moriarty wird nach jeder Vorstellung ausgepfiffen« — hinter sich lassen könne, wolle er nach New York kommen, um bei Pal diese neue Unterhaltungskunst in Augenschein zu nehmen. Das beruhigte Fritzi. Wenn Hobart die Meinung vertrat, Filme seien akzeptabel, konnte sie das auch tun.
Immer häufiger bemerkte Fritzi, daß sich Pal Pictures veränderte. B. B. hatte sich angewöhnt, bevorzugten Gästen eine Fünfzig-CentZigarre anzubieten. Trotz Kellys Einspruch bezog die Firma eine eigene Büroflucht in der Vierzehnten Straße, nicht weit von Biograph. Da kam Fritzi der Gedanke, daß sie auch ihre eigenen Umstände verbessern konnte, nachdem sie jetzt über ein festes Einkommen verfügte. Unter Tränen verabschiedete sie sich von Mrs. Perella und bezog zwei helle Räume in der Zweiundzwanzigsten West in der Nähe des Flusses.
B. B. schlug Das Kind des einsamen Indianers vor und begründete den Plan damit, daß seiner Meinung nach Kinder fast ebenso beliebt seien wie Gold und Geld. In dieser Episode, die Eddie auf Anordnung von B. B. schrieb, spielte Owen den Vater eines Säuglings, der in einem Korb vor seinem Zelt gefunden wurde - wie und durch wen er dorthin gekommen war, wurde weder durch die Handlung noch durch Zwischentitel erklärt. Owen wurde mit jeder Folge, in der er als heldenhafte Rothaut auftrat, eingebildeter. Mindestens einmal im Monat lud er Fritzi ein, mit ihm auszugehen, wobei er durchblicken ließ, daß sie die einmalige Chance verpasse, mit einem der neuen Leinwandstars zu dinieren. Sie lehnte jedesmal lächelnd ab.
Sie wagten es, die neue Folge wieder ganz in der Nähe von Fort Lee zu drehen. Eddie kaufte einen doppelschüssigen Revolver mit kurzem Lauf, einen zweiunddreißiger Smith and Wesson. »Das verdammte Ding jagt mir Angst ein, ich bin schließlich kein gewalttätiger Mensch. Aber nach Jersey gehe ich nur noch mit einem Schießeisen.« Abends zielte er zur Übung auf einem leeren Grundstück auf Flaschen. Seine Frau, sagte er, habe schreckliche Angst. Jock Ferguson bezahlte einen bewaffneten Wächter, der sich ausschließlich um die Kamera zu kümmern hatte.
Am Ende des ersten Vormittags kamen sie zurück zum Hotel Rambo’s, vor dem bereits zwei Autos und ein Lieferwagen mit der Aufschrift Biograph standen. Sie schlichen deshalb zur Hinterseite des Hotels, wo jedoch fünfzehn bis zwanzig Menschen an Holztischen saßen, die unter einem mindestens dreißig Meter langen Laubengang zusammengestellt waren, und Eintopf aßen. Fritzi entdeckte Billy Bitzer, Mary Pickford und Griffith. Der Regisseur lächelte und winkte. Er sah zu komisch aus mit seinem Strohhut, der nur aus dem Hutrand bestand.
Bitzer kam auf sie zugeeilt, gefolgt von Mary. In der Frühlingssonne funkelten Marys Locken wie flüssiges Gold. Bitzer schüttelte Fritzi die Hand.
»Menschenskind, Sie machen sich gut. Was hören Sie von Paul?«
»Sehr wenig«, gestand sie. »Ich glaube, er macht Europa unsicher. Er und Julie erwarten ihr drittes Kind.«
Sie erkundigte sich, welche Bewandtnis es mit Griffith’ Hut habe. Bitzer lachte. »Sie kennen doch Schauspieler. Eitel bis zum geht nicht mehr. Griffith glaubt, daß er weniger Haare verliert, wenn ihm die Sonne auf den Kopf scheint.«
Er ging wieder zurück zu den anderen am Tisch, aber Mary blieb neben Fritzi stehen. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter auf Owen, der eine Schauspielerin von Biograph mit Anekdoten über sie selbst überschüttete. »Ich habe mir den Indianer-Film angesehen, den, wo Sie vom Pferd fallen und die Augen verdrehen.«
Fritzi runzelte die Stirn. »Eigentlich ziemlich
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